Vulnerabilität
Vulnerabilität (von lateinisch vulnus = Wunde) bedeutet wörtlich Verwundbarkeit oder Verletzbarkeit.
In der Psychologie und Psychiatrie beschreibt Vulnerabilität die individuelle Anfälligkeit eines Menschen, auf Stress oder kritische Lebensereignisse mit der Entwicklung einer psychischen Störung (z. B. Depression, Angststörung, Sucht) zu reagieren. Es ist das Gegenteil von Resilienz.
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Das Konzept der Vulnerabilität wird am häufigsten im Rahmen des Vulnerabilitäts-Stress-Modells (auch Diathese-Stress-Modell genannt) verwendet, das die Entstehung psychischer Erkrankungen erklärt:
- Vulnerabilität (Anfälligkeit):
Jeder Mensch besitzt eine individuelle, oft genetisch oder durch frühe traumatische Erfahrungen erworbene Grundverletzlichkeit (Prädisposition) für bestimmte psychische Erkrankungen. Diese Anfälligkeit ist nicht zwingend krankhaft, aber sie erhöht das Risiko. - Stressoren (Belastungen):
Im Laufe des Lebens auftretende aktuelle und chronische Belastungen (Stress, kritische Lebensereignisse, soziale Probleme) wirken auf diese Grundanfälligkeit ein.
Die Kernaussage
Eine psychische Störung entsteht, wenn eine erhöhte Vulnerabilität auf eine übermäßige Belastung trifft. Ein beliebtes Bild ist das Stressfass:
Das Bild des Stressfasses
- Das Fassungsvermögen des Fasses symbolisiert die Resilienz (Widerstandsfähigkeit). Je kleiner das Fass (je höher der Boden), desto höher ist die Vulnerabilität.
- Das Wasser, das in das Fass läuft, symbolisiert die Stressoren (Belastungen).
- Bei hoher Vulnerabilität läuft das Fass (es kommt zur psychischen Erkrankung) bereits bei wenig Stress über.
- Bei geringer Vulnerabilität hält der Mensch auch hohe Belastungen aus, bevor er erkrankt.
Faktoren, die die Vulnerabilität beeinflussen
Vulnerabilität resultiert aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Risikofaktoren (die Resilienz schwächen) und Schutzfaktoren (die Resilienz fördern):
Risikofaktoren (erhöhen Vulnerabilität)
- Biologisch/Genetisch
Genetische Prädisposition für psychische Störungen, chronische körperliche Erkrankungen. - Psychologisch/Individuell
Geringes Selbstwertgefühl, pessimistischer Attributionsstil, schlechte Emotionsregulation. - Sozial/Umwelt
Unsichere Bindungen, geringe soziale Unterstützung, Armut, Gewalt, Diskriminierung.
Schutzfaktoren (reduzieren Vulnerabilität)
- Biologisch/Genetisch
Gute körperliche Gesundheit, hohes Energieniveau. - Psychologisch/Individuell
Hohe Selbstwirksamkeit, Optimismus, gute Problemlösefähigkeiten. - Sozial/Umwelt
Stabile, unterstützende soziale Netzwerke, sicheres Umfeld.