Psychodynamische Psychotherapie

Der Begriff Psychodynamische Psychotherapie (PP) ist der international gebräuchliche Oberbegriff für alle Therapieverfahren, die auf psychoanalytischen Konzepten basieren.

Zur psychodynamischen Psychotherapie werden verschiedene Verfahren gezählt, die auf der Psychoanalyse von Sigmund Freud basieren und sich auf unbewusste Prozesse, innere Konflikte und die Bedeutung früher Beziehungserfahrungen konzentrieren.

Die wichtigsten und in Deutschland von den Krankenkassen anerkannten psychodynamischen Verfahren sind:

  1. Analytische Psychotherapie (Psychoanalyse):
    • Die Ursprungsform, die sich intensiv und umfassend mit unbewussten Konflikten auseinandersetzt.
    • Findet klassischerweise mehrmals wöchentlich im Liegen (auf der Couch) statt und ist in der Regel eine Langzeittherapie.
    • Techniken: Freie Assoziation, Traumdeutung, Analyse von Übertragung und Widerstand.
  2. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP):
    • Eine Weiterentwicklung, die sich auf einen umschriebenen, aktuellen oder zentralen Konfliktbereich konzentriert.
    • Findet meist einmal wöchentlich im Sitzen statt und kann als Kurz- oder Langzeittherapie durchgeführt werden.
    • Der Fokus liegt stärker auf der Bewältigung aktueller Probleme vor dem Hintergrund der unbewussten Dynamik.

Darüber hinaus gibt es weitere, teils spezialisierte psychodynamische Ansätze, die sich aus der Psychoanalyse entwickelt haben, zum Beispiel:

  • Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) (häufig bei Persönlichkeitsstörungen)
  • Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
  • Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT)
  • Supportive Psychotherapie (stärker ressourcenorientiert und unterstützend)
  • Katathym-Imaginative Psychotherapie (KIP) (arbeitet mit inneren Bildern)
  • Individualpsychologische Beratung und Therapie (nach Alfred Adler)
  • Analytische Psychologie (nach C. G. Jung)

Obwohl sie teils unterschiedliche Schwerpunkte setzen, teilen alle psychodynamischen Verfahren die Annahme, dass psychische Symptome und Schwierigkeiten ihren Ursprung in unbewussten Prozessen, inneren Konflikten und den Mustern früher Beziehungen haben.

Kritik an der Psychodynamischen Psychotherapie

Die Kritik an der Psychodynamischen Psychotherapie, zu der die Psychoanalyse und die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zählen, betrifft hauptsächlich folgende Punkte:

1. Mangel an empirischer Evidenz (Wirksamkeitsnachweis)

  • Lange Zeit fehlende Studien:
    Einer der am häufigsten genannten Kritikpunkte war lange Zeit die fehlende Tradition der psychodynamischen Schulen, ihre Wirksamkeit durch randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) nachzuweisen.
    Aktuelle Metaanalysen und Forschung der letzten Jahre zeigen jedoch eine wachsende Evidenz für die Wirksamkeit psychodynamischer Therapien, insbesondere bei komplexen und chronischen Störungen sowie im Langzeitverlauf, oft vergleichbar mit anderen anerkannten Verfahren.
  • Schwierige Operationalisierung:
    Die komplexen Konzepte wie das Unbewusste, die Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung
    sind schwieriger messbar und in standardisierten Manualen festzuhalten als beispielsweise kognitive Techniken.
  • Fokus auf zugrundeliegende Prozesse:
    Die psychodynamische Therapie konzentriert sich primär auf die Veränderung von Persönlichkeitsstrukturen und unbewussten Konflikten und nicht in erster Linie auf die schnelle Reduktion spezifischer Symptome, was die vergleichende Forschung erschwert.

2. Dauer und Kosten

  • Hoher Zeitaufwand:
    Besonders die Psychoanalyse ist eine Langzeittherapie (oftmals mehrere Jahre) mit einer hohen Frequenz (zwei bis drei Sitzungen pro Woche), was sie zeitintensiv macht.
  • Ressourcenintensiv:
    Trotz der Kostenübernahme durch die Krankenkassen in Deutschland ist die Langzeittherapie ressourcenintensiv und wirft Fragen der Kosteneffizienz im Gesundheitssystem auf (wobei Langzeitstudien teilweise auch langfristige Kosteneffizienz durch geringere Rückfallraten nahelegen).

3. Theoretische und technische Aspekte

  • Subjektivität der Deutung:
    Die therapeutischen Techniken, insbesondere die Deutung von Übertragungen und unbewussten Inhalten, werden kritisiert, da sie stark von der Subjektivität und den Interpretationen des jeweiligen Therapeuten abhängen können.
  • Gefahr des „Grübelns“ (Intellektualisierung):
    Es besteht die Gefahr, dass Patienten intellektuelle Einsichten über ihre Konflikte gewinnen (z. B. „Ich habe ein Problem wegen meiner Mutter“), ohne dass dies zu einer tatsächlichen emotionalen oder Verhaltensänderung führt.
  • Fokus auf die Vergangenheit:
    Obwohl die psychodynamische Therapie das „Hier und Jetzt“ der therapeutischen Beziehung nutzt, wird ihr vorgeworfen, sich zu stark auf die Kindheit und Vergangenheit zu konzentrieren und zu wenig praktische Hilfe für aktuelle Alltagsprobleme zu bieten.

4. Anwendungsspektrum

  • Nicht für alle Störungen gleich geeignet:
    Obwohl psychodynamische Verfahren bei einer breiten Palette von Störungen, insbesondere bei Persönlichkeitsstörungen und komplexen Störungen anerkannt sind, gelten sie bei einigen spezifischen Störungen wie Phobien oder Zwangsstörungen oft nicht als die primäre Behandlungsmethode erster Wahl im Vergleich zur Verhaltenstherapie.
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