Psychische Störungen

Psychische Störungen sind Erkrankungen des Denkens, Fühlens, der Wahrnehmung und des Verhaltens, die zu einer erheblichen Abweichung von der als Norm angesehenen psychischen Funktion führen. Sie sind durch spezifische Symptome gekennzeichnet, die über einen längeren Zeitraum anhalten und zu bedeutendem Leid bei der betroffenen Person selbst und/oder zu einer Beeinträchtigung der Alltagsbewältigung (Beruf, soziale Beziehungen) führen.

Nicht jede kurzfristige Stimmungsschwankung oder ungewöhnliche Reaktion stellt eine Störung dar; der Krankheitswert entsteht durch die Intensität, Dauer und den Grad der Funktionsstörung.

Klassifikation und Diagnostik

Zur Diagnostik und Klassifikation psychischer Störungen dienen international anerkannte Systeme:

  • ICD-11 (International Classification of Diseases, 11th Revision):
    Herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), ist weltweit und in Deutschland das offizielle Klassifikationssystem für alle medizinischen Diagnosen, einschließlich psychischer Störungen (Kapitel 6).
  • DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition):
    Herausgegeben von der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (APA), wird primär im klinischen und Forschungsbereich verwendet, insbesondere in den USA.

Beide Systeme definieren eine Störung über klar umrissene Symptomkriterien und deren erforderliche Dauer.

Häufige Störungskategorien (nach ICD-11)

Psychische Störungen sind sehr vielfältig und werden nach der ICD-11 (Kapitel 6: Psychische, Verhaltens- oder neuromentale Entwicklungsstörungen) in verschiedene Hauptgruppen unterteilt:

Störungsklasse (ICD-11)Beschreibung und Beispiele
NeuroentwicklungsstörungenStörungen mit Beginn in der frühen Entwicklung, z. B. Autismus-Spektrum-Störung (ASS), Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Intelligenzminderung oder Spezifische Lernstörungen.
Schizophrenie-Spektrum- und andere primäre psychotische StörungenStörungen, die durch deutliche Verzerrungen in Denken, Wahrnehmung und Emotionen gekennzeichnet sind, z. B. Schizophrenie und Schizoaffektive Störungen.
Bipolare und verwandte StörungenStörungen, die durch Episoden von gehobener Stimmung (Manie) und depressiver Stimmung gekennzeichnet sind.
Depressive StörungenStörungen, die durch anhaltende Traurigkeit, Interesselosigkeit und verminderte Energie gekennzeichnet sind, z. B. Major Depression.
Angst- und furchtbezogene StörungenStörungen, deren Kernsymptom exzessive Angst und Furcht ist, z. B. Phobien, Panikstörung und Generalisierte Angststörung.
Zwangsspektrum- und stereotypes VerhaltensstörungenStörungen, die durch wiederkehrende, unerwünschte Gedanken (Zwangsgedanken) und/oder wiederholte Handlungen (Zwangshandlungen) gekennzeichnet sind.
Trauma– oder stressorbezogene StörungenStörungen, die als Reaktion auf ein traumatisches oder belastendes Ereignis entstehen, z. B. die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Dissoziative StörungenStörungen der normalerweise integrierten Funktionen von Gedächtnis, Identität, Wahrnehmung oder Bewusstsein.
Fütter- und EssstörungenStörungen mit erheblicher Beeinträchtigung des Essverhaltens, z. B. Anorexia Nervosa (Magersucht) und Bulimia Nervosa (Ess-Brech-Sucht).
Substanzgebrauchs– und andere AbhängigkeitsstörungenStörungen, die durch den problematischen Konsum von Substanzen (z. B. Alkohol, Drogen) oder abhängiges Verhalten (z. B. Glücksspielsucht) gekennzeichnet sind.
PersönlichkeitsstörungenStörungen, die durch tief verwurzelte, starre und wenig flexible Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens gekennzeichnet sind.
Neurokognitive StörungenStörungen, die eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten darstellen, z. B. Demenz oder Delir.

Entstehung

Die Entstehung psychischer Störungen wird in der Regel durch das Vulnerabilitäts-Stress-Modell erklärt. Es geht davon aus, dass psychische Erkrankungen durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren entstehen:

  1. Vulnerabilität (Verwundbarkeit):
    Eine angeborene oder erworbene Anfälligkeit für eine bestimmte Störung (z. B. genetische Veranlagung, Hirnstrukturen, frühkindliche Traumata).
  2. Stress (Belastungsfaktoren):
    Akute oder chronische auslösende Ereignisse im Leben (z. B. Beziehungsverluste, Überforderung, traumatische Erlebnisse).

Die wichtigsten Einflussbereiche sind:

  • Biologische Faktoren:
    Genetische Veranlagung, Störungen im Neurotransmitter-Stoffwechsel (z. B. Serotonin, Dopamin), Hirnfunktionsstörungen.
  • Psychische Faktoren:
    Erlernte dysfunktionale Denkmuster, Verarbeitung von Konflikten, Bindungserfahrungen, traumatische Erlebnisse.
  • Soziale Faktoren:
    Ungünstige Familienverhältnisse, soziale Isolation, Armut, Belastungen am Arbeitsplatz.
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