Dissoziative Störungen

Dissoziative Störungen sind eine Gruppe psychischer Erkrankungen, die durch eine unwillkürliche Unterbrechung der normalerweise integrierten Funktionen von Gedächtnis, Identität, Bewusstsein, Emotionen, Wahrnehmung, Körperwahrnehmung und Kontrolle über Körperbewegungen gekennzeichnet sind.

Das zentrale Merkmal ist die Dissoziation, ein Schutzmechanismus der Psyche, bei dem unerträgliche oder überwältigende Erfahrungen – oft in Zusammenhang mit einem Trauma – vom normalen Bewusstsein „abgespalten“ werden. Im Gegensatz zur alltäglichen, leichten Dissoziation (z. B. „Tagträumen“) führen dissoziative Störungen zu erheblichem Leiden und Funktionsverlust.

Hauptsymptome und Erscheinungsformen

Dissoziative Störungen äußern sich in verschiedenen Formen:

  • Dissoziative Amnesie:
    Eine Unfähigkeit, sich an wichtige persönliche Informationen, Ereignisse oder ganze Lebensabschnitte zu erinnern, die meist traumatischer oder stressreicher Natur sind und nicht durch normale Vergesslichkeit erklärt werden können. Eine Sonderform ist die dissoziative Fugue, bei der zusätzlich eine plötzliche, unerwartete Reise oder das ziellose Umherwandern auftritt.
  • Depersonalisations-/Derealisationstörung:
    • Depersonalisation:
      Das Gefühl der Entfremdung von sich selbst, dem eigenen Körper oder den eigenen mentalen Prozessen. Betroffene fühlen sich oft wie ein außenstehender Beobachter des eigenen Lebens oder als seien sie nicht „wirklich“ in ihrem Körper.
    • Derealisation:
      Das Gefühl, dass die Umgebung unwirklich, fremd, verzerrt oder wie im Nebel erscheint.
  • Dissoziative Identitätsstörung (DIS) (Früher als Multiple Persönlichkeitsstörung bekannt):
    Eine Störung, bei der zwei oder mehr unterschiedliche Persönlichkeitszustände (auch „Alters“ oder „dissoziative Identitäten“ genannt) abwechselnd die Kontrolle über das Verhalten der Person übernehmen. Hinzu kommen erhebliche Gedächtnislücken, die nicht durch normales Vergessen erklärbar sind.
  • Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen (in der ICD-11, früher oft als Konversionsstörung bezeichnet):
    Körperliche Symptome, die nicht organisch erklärbar sind, aber eine Störung des Nervensystems imitieren, z. B. Lähmungen, Blindheit, Gefühlsverlust (Taubheit) oder nicht-epileptische Krampfanfälle.

Ursachen

Die Hauptursache für die Entwicklung schwerer dissoziativer Störungen ist in der Regel schweres, wiederholtes oder chronisches Trauma (insbesondere in der Kindheit), wie körperlicher, emotionaler oder sexueller Missbrauch.

Die Dissoziation wird als ein psychologischer Notfallmechanismus betrachtet, um das Bewusstsein von unerträglichen Schmerzen, Gefahren oder überwältigenden Emotionen abzuspalten. Diese Abspaltung kann sich später zu einem starren Muster entwickeln, das die Integration von Erfahrungen, Emotionen und der Identität verhindert.

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