Kontrollverlust

In der Psychologie bezieht sich der Begriff Kontrollverlust primär auf die Angst oder das tatsächliche Gefühl, die Steuerung über die eigenen psychischen oder körperlichen Prozesse sowie über das äußere Leben zu verlieren. Er ist ein zentrales Thema in der Angst– und Stressforschung.

Das Kontrollbedürfnis als Ursache

Die Angst vor Kontrollverlust entsteht, weil das Bedürfnis nach Kontrolle, Orientierung und Selbstbestimmung eines der fundamentalen psychologischen Grundbedürfnisse des Menschen ist (z.B. nach Klaus Grawe).

  • Positive Funktion der Kontrolle:
    Ein Gefühl der Kontrollüberzeugung (Locus of Control) fördert Resilienz, Selbstvertrauen und die aktive Bewältigung von Herausforderungen.
  • Problematische Überkontrolle:
    Der ungesunde Drang, alles im Leben kontrollieren zu wollen (Hyperkontrolle), führt zwangsläufig zu Frustration und Angst, da die absolute Kontrolle eine Illusion ist.

Manifestation bei psychischen Störungen

Die Angst vor Kontrollverlust ist ein Kernmechanismus bei mehreren psychischen Störungsbildern:

StörungsbildBefürchteter Kontrollverlust über…Symptome/Folgen
PanikstörungKörper und VerstandAngst, „verrückt zu werden“, in Ohnmacht zu fallen, einen Herzinfarkt zu erleiden oder die Kontrolle über die Blase/den Darm zu verlieren.
ZwangsstörungenGedanken und ImpulseAngst, unkontrolliert schädigende oder moralisch verwerfliche Handlungen auszuführen. Die Zwänge sind der Versuch, durch rituelle Hyperkontrolle die Katastrophe abzuwenden.
AgoraphobieDie SituationAngst, an einem öffentlichen Ort eine Panikattacke zu erleiden, hilflos zu sein und nicht entkommen oder Hilfe holen zu können.
Essstörungen (Anorexie)Körpergewicht und NahrungsaufnahmeDie strenge Kontrolle über den Körper kann ein Kompensationsversuch für ein Gefühl der Ohnmacht in anderen Lebensbereichen sein.

Psychologischer Umgang (Überwindung)

Die therapeutische Strategie zielt darauf ab, die Toleranz gegenüber Unsicherheit zu erhöhen und die Hyperkontrolle zu reduzieren:

  1. Kognitive Umstrukturierung:
    Die Katastrophengedanken („Ich werde verrückt“) werden überprüft und als irrational erkannt. Der Fokus liegt auf der Akzeptanz, dass Angstsymptome zwar unangenehm, aber ungefährlich sind.
  2. Exposition:
    Betroffene konfrontieren sich (therapeutisch begleitet) mit den angstauslösenden Situationen. Sie lernen durch das Ausbleiben der befürchteten Katastrophe, dass der Verlust der gefühlten Kontrolle nicht zum Verlust der tatsächlichen Kontrolle führt.
  3. Fokus auf das Beeinflussbare:
    Es wird vermittelt, dass nur das eigene Verhalten und die eigene Reaktion wirklich kontrollierbar sind, während äußere Ereignisse und unwillkürliche Körperreaktionen akzeptiert werden müssen.
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