Konsistenztheorie

Die Konsistenztheorie ist ein umfassendes psychologisches Modell, das vom Psychotherapieforscher Klaus Grawe entwickelt wurde. Sie erklärt das Funktionieren der menschlichen Psyche und die Entstehung psychischer Störungen auf Basis neurowissenschaftlicher Erkenntnisse.

Das Kernprinzip der Theorie ist das universelle Streben des Organismus nach Konsistenz.

Das Kernprinzip: Konsistenz

Konsistenz beschreibt den Zustand der Übereinstimmung und Vereinbarkeit aller gleichzeitig ablaufenden neuronalen und psychischen Prozesse.

  • Konsistenz (Stimmigkeit)
    wird als Zustand des Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit erlebt.
  • Inkonsistenz (Nichtübereinstimmung, innere Spannung)
    entsteht, wenn wichtige Ziele im Widerspruch zueinander stehen oder die Realität die Erwartungen und Pläne eines Menschen verletzt. Dieser Zustand wird als Stress und Unlust erlebt.
  • Ziel des Organismus:
    Konsistenz herstellen und Inkonsistenz vermeiden oder reduzieren. Psychische Störungen werden dabei als dysfunktionale (ungesunde) Versuche des Systems interpretiert, Inkonsistenz zu reduzieren, wenn gesunde Lösungsversuche blockiert sind.

Die vier psychischen Grundbedürfnisse

Die Konsistenz wird vor allem dann erreicht, wenn die vier biologisch fundierten und universellen psychischen Grundbedürfnisse ausreichend befriedigt sind. Diese stehen gleichrangig nebeneinander:

GrundbedürfnisInhalt / Streben nachFolge bei Nichterfüllung (Inkonsistenz)
BindungNähe, emotionale Sicherheit, Zugehörigkeit zu wichtigen Bezugspersonen.Einsamkeit, Bindungsangst, soziale Isolation.
Orientierung & KontrolleDie Welt verstehen, voraussagen und beeinflussen können (Selbstwirksamkeit).Hilflosigkeit, Unsicherheit, Kontrollverlust.
Lustgewinn & UnlustvermeidungPositive Erlebnisse (Freude, Vergnügen) suchen, negative Gefühle vermeiden.Frustration, chronischer Stress, Depression, Angst.
Selbstwertschutz & -erhöhungEin positives Selbstbild haben, Anerkennung erhalten und sich als wertvoll erleben.Scham, Minderwertigkeitsgefühle, Abhängigkeit von fremder Anerkennung.

Motivationale Schemata

Aus diesen Grundbedürfnissen entstehen im Laufe des Lebens individuelle motivationale Schemata (Ziele und Pläne). Diese Schemata werden in zwei Kategorien unterteilt:

  • Annäherungsziele:
    Das Streben nach Befriedigung der Grundbedürfnisse (z. B. „Ich will einen Partner finden“ – erfüllt das Bindungsbedürfnis).
  • Vermeidungsziele:
    Das Streben nach Schutz vor der Verletzung der Grundbedürfnisse (z. B. „Ich will Ablehnung vermeiden“ – schützt das Bindungs- und Selbstwertbedürfnis).

Psychische Konflikte entstehen oft, wenn Annäherungs- und Vermeidungsziele in Konflikt stehen (z. B. Wunsch nach Nähe vs. Angst vor Ablehnung).

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