Dialektisch-Behaviorale Therapie
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist ein bedeutendes, evidenzbasiertes psychotherapeutisches Verfahren, das ursprünglich von der amerikanischen Psychologin Marsha M. Linehan entwickelt wurde.
In der Psychologie gehört die DBT zur sogenannten „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie. Sie baut auf der kognitiven Verhaltenstherapie auf, integriert jedoch tiefgreifende Modifikationen sowie Elemente aus anderen psychologischen und philosophischen Schulen (z. B. Zen-Buddhismus mit seinem Fokus auf Achtsamkeit).
Psychologische Grundlagen und Kernkonzepte
1. Die Dialektik:
- Das zentrale psychologische Prinzip ist die Dialektik – die Balance und Integration scheinbarer Gegensätze. In der DBT bedeutet dies vor allem die Synthese von Akzeptanz und Veränderung.
- Akzeptanz:
Der Patient muss sich und seine gegenwärtigen Gefühle, Gedanken und Umstände ohne Bewertung annehmen. - Veränderung:
Gleichzeitig muss er lernen, dysfunktionale Verhaltensmuster zu erkennen und durch neue, effektive Fertigkeiten (Skills) zu ersetzen.
- Akzeptanz:
2. Störung der Emotionsregulation:
- Das theoretische Modell der DBT basiert auf der Annahme, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) primär eine Störung der Emotionsregulation ist.
- Diese Störung resultiert aus einer Kombination von:
- Biologischer Vulnerabilität:
Einer erhöhten emotionalen Empfindlichkeit, Intensität und langsameren Rückkehr zur emotionalen Basislinie. - Invaliderendem Umfeld:
Einem Umfeld, das die emotionalen Reaktionen des Kindes nicht validiert (bestätigt) und ihm keine angemessenen Strategien zur Emotionsregulation vermittelt hat.
- Biologischer Vulnerabilität:
Die 5 Module des Fertigkeitentrainings (Skills-Training)
Der wichtigste Baustein zur Veränderung und zum Aufbau neuer Kompetenzen ist das Skills-Training, das meist in der Gruppe stattfindet. Die Patientinnen und Patienten erlernen hier spezifische psychologische Fertigkeiten in fünf Bereichen:
- Achtsamkeit (Mindfulness):
- Ziel:
Die bewusste und nicht-wertende Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments. Dies hilft, impulsive Reaktionen zu unterbrechen. - Psychologische Funktion:
Förderung der Meta-Kognition und Distanzierung von automatischen Gedanken und Gefühlen.
- Ziel:
- Umgang mit Gefühlen / Emotionsregulation:
- Ziel:
Emotionen besser verstehen, benennen und steuern können. - Psychologische Funktion:
Reduzierung emotionaler Vulnerabilität, Verringerung der Intensität negativer Gefühle und Entgegenwirken unangemessener emotionaler Reaktionen.
- Ziel:
- Umgang mit Krisen / Stresstoleranz:
- Ziel:
Akute, unerträgliche emotionale Spannungszustände aushalten, ohne auf dysfunktionale Verhaltensweisen (wie Selbstverletzung oder Suizidversuche) zurückzugreifen. - Psychologische Funktion:
Vermittlung von effektiven Notfallstrategien (z. B. Einsatz intensiver Sinnesreize) zur Spannungsreduktion und Ablenkung.
- Ziel:
- Zwischenmenschliche Fertigkeiten / Interpersonelle Effektivität:
- Ziel:
Beziehungen effektiver gestalten, Konflikte lösen, eigene Bedürfnisse durchsetzen und gleichzeitig den Selbstwert und die Beziehung erhalten. - Psychologische Funktion:
Aufbau sozialer Kompetenzen, die bei BPS-Patienten oft aufgrund instabiler Beziehungen mangelhaft sind.
- Ziel:
- (Optional) Selbstwert:
- Ziel:
Aufbau eines stabilen, realistischen Selbstwertgefühls.
- Ziel:
Psychologische Anwendung
Obwohl die DBT primär zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung als Goldstandard gilt, wird sie in der klinischen Psychologie zunehmend auch für andere Störungsbilder eingesetzt, die durch starke Probleme in der Emotionsregulation gekennzeichnet sind, z. B.:
- Komplexe Posttraumatische Belastungsstörungen (K-PTBS)
- Essstörungen (insbesondere Bulimie und Binge Eating Disorder)
- Chronische Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten
- Substanzabhängigkeit (als DBT–Sucht)
- Affektive Störungen mit starken Stimmungsschwankungen