Modell der doppelten Handlungsregulation
Das Modell der doppelten Handlungsregulation ist ein zentrales Konzept der Klärungsorientierten Psychotherapie (KOP), das maßgeblich von Rainer Sachse entwickelt wurde. Es dient dazu, die komplexen und oft widersprüchlichen Interaktionsmuster von Klienten, insbesondere solchen mit Persönlichkeitsstörungen, zu erklären.
Das Modell postuliert, dass das interaktionelle Handeln einer Person auf zwei voneinander abhängigen Ebenen reguliert wird:
Erste Ebene: Die authentische Handlungsregulation (Motivebene)
Diese Ebene beschreibt das bewusste, zielgerichtete und authentische Handeln der Person, das von ihren grundlegenden Beziehungsmotiven geleitet wird.
- Beziehungsmotive:
Dies sind tief verwurzelte, universelle Bedürfnisse des Menschen in sozialen Interaktionen, die durch die Biografie geprägt wurden. Beispiele sind: Anerkennung, Wichtigkeit (für andere Wert haben), Verlässlichkeit und Autonomie. - Ziel:
Die Person handelt, um diese grundlegenden Motive befriedigt zu bekommen. Das Verhalten ist im Prinzip transparent und offen.
Zweite Ebene: Die dysfunktionale Handlungsregulation (Schemata und „Spielebene“)
Diese Ebene tritt in Kraft, wenn die Person aufgrund negativer biografischer Erfahrungen (z. B. durch wiederholte Frustration ihrer Motive) erwartet, dass ihre primären Motive in Beziehungen nicht authentisch erfüllt werden.
- Dysfunktionale Schemata:
Die Person entwickelt starre, negative Grundannahmen über sich selbst und Beziehungen (z. B. „Ich bin nicht wichtig,“ „Andere werden mich ablehnen“). Diese Schemata werden in bestimmten Situationen aktiviert. - Intransparentes/Manipulatives Handeln („Spielebene“):
Um die befürchtete Ablehnung zu vermeiden oder ihre Motive doch noch zu befriedigen (ohne sich verletzlich zu zeigen), entwickelt die Person dysfunktionale, oft unbewusste Strategien.- Dieses Verhalten ist intransparent, da das eigentliche interaktionelle Ziel verschleiert wird.
- Es zielt darauf ab, den Interaktionspartner unbewusst zu Handlungen zu veranlassen, die eine (oft nur kurzfristige) Motivbefriedigung bringen, ohne dass der Partner die wahren Absichten durchschaut.
Therapeutische Relevanz
Das Modell erklärt die oft schwierige Beziehungsgestaltung in der Psychotherapie: Der Klient kommt zwar mit dem Wunsch nach Motivbefriedigung (Ebene 1), gerät aber unter dem Einfluss seiner Schemata (Ebene 2) in interaktionelle „Spiele“, die das therapeutische Ziel untergraben.
Die Aufgabe des Therapeuten ist es, durch eine komplementäre Beziehungsgestaltung (d.h. die Motive des Klienten verlässlich zu befriedigen) und Klärung die dysfunktionalen Schemata und das manipulative Handeln bewusst zu machen. Dadurch soll der Klient lernen, seine Motive wieder auf der authentischen, ersten Ebene zu verfolgen.
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