Bindungsangst
Bindungsangst (engl. fear of commitment) beschreibt in der Psychologie die unbewusste Furcht vor emotionaler Nähe, Verbindlichkeit und dem Verlust der eigenen Autonomie in einer festen Partnerschaft.
Menschen mit Bindungsangst sehnen sich oft nach einer Beziehung, entwickeln aber in dem Moment, in dem die Partnerschaft enger wird oder verbindlich erscheint, starke Abwehrstrategien und den Drang zur Distanzierung.
Ursachen
Bindungstheorie nach Bowlby
Bindungsangst wird in der Regel auf unsichere Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit zurückgeführt. Nach der Bindungstheorie von John Bowlby entwickelt sich hierbei oft ein unsicher-vermeidender Bindungsstil.
- Unsichere oder unzuverlässige Bezugspersonen:
Die Eltern waren in der Kindheit in den ersten Lebensjahren entweder unbeständig (mal liebevoll, mal abweisend) oder wenig emotional verfügbar (vernachlässigend, überfordert). - Erlerntes Muster:
Das Kind lernt, dass das Äußern von Bedürfnissen oder das Suchen von Nähe nicht sicher oder verlässlich ist und oft zu Enttäuschung führt. Die Selbstwirksamkeit und das Gefühl, „gut genug“ zu sein, werden beschädigt. - Schutzmechanismus:
Die Bindungsangst im Erwachsenenalter ist eine Schutzstrategie (Vermeidungsstrategie), die verhindern soll, erneut verletzt, enttäuscht oder in der eigenen Identität eingeengt zu werden.
Symptome und Verhalten
Die Angst vor zu viel Nähe äußert sich in bestimmten, oft wechselhaften Verhaltensmustern in Beziehungen:
Phasen der Beziehung
Bindungsängstliche Beziehungen beginnen oft leidenschaftlich und intensiv („Honeymoon-Phase“), kippen aber, sobald es zu verbindlich wird (z. B. Zusammenziehen, Beziehungsdefinition):
| Phase | Verhalten des Bindungsängstlichen |
| Anfangsphase | Heftiges Verlieben, Idealisierung, starke Nähe. |
| Ambivalenzphase | Plötzlicher Rückzug und Distanzierung, oft ohne klare Erklärung. Es entsteht ein Nähe-Distanz-Wechselspiel (Zickzack-Kurs). |
| Endphase | Beenden der Beziehung oder fortwährende Distanzierung, bis der Partner die Beziehung beendet. |
Typische Verhaltensmuster
- Rückzug und Distanzierung:
Der Partner wird auf Abstand gehalten, emotional oder räumlich. Dies kann sich in weniger Kommunikation, weniger Zärtlichkeit oder dem plötzlichen Wunsch nach „Freiraum“ äußern. - Fokus auf Schwächen:
Sobald die Beziehung ernster wird, beginnt das „Schwächen-Zooming“ oder der „Infragestellungs-Modus“. Es werden Fehler oder vermeintliche Mängel beim Partner gesucht, um einen Grund für die Distanzierung zu finden („Ist er/sie wirklich der/die Richtige?“). - Unerreichbare Partner:
Es werden oft Partner gewählt, die entweder schon vergeben, sehr weit entfernt (Fernbeziehung) oder emotional nicht verfügbar sind, um die Gefahr der echten Nähe von vornherein auszuschließen. - Überanpassung und Selbstverlust:
Manche Bindungsängstliche passen sich anfangs übermäßig an die Wünsche des Partners an, bis sie ein Gefühl des Selbstverlustes (Verlust der eigenen Autonomie) empfinden. Dies führt dann oft zu einem abrupten Ausbruch oder Rückzug.
Aktive vs. Passive Bindungsangst
- Aktive Bindungsangst:
Die Person sucht Beziehungen, treibt den Partner aber aktiv durch kühles, distanziertes oder kritisches Verhalten weg, sobald es eng wird. - Passive Bindungsangst:
Die Person hält sich weitestgehend von Beziehungen fern und verliebt sich oft nur in unerreichbare Personen (z. B. Stars, Vergebene), um die Möglichkeit einer realen Bindung zu vermeiden.
Bindungsangst ist eine komplexe Dynamik, deren Überwindung oft eine tiefe Auseinandersetzung mit den eigenen frühkindlichen Prägungen und eine Stärkung des Selbstwerts erfordert.
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