Psychotische Störungen

Psychotische Störungen bezeichnen eine Gruppe von psychischen Erkrankungen, deren gemeinsames und zentrales Merkmal der Verlust des Realitätsbezugs (Psychose) ist. Betroffene haben Schwierigkeiten, zwischen inneren Erlebnissen und der äußeren Realität zu unterscheiden.

Der Begriff „psychotische Störungen“ umfasst verschiedene Krankheitsbilder, zu denen die Schizophrenie die bekannteste und häufigste gehört.

Kernsymptome (Positiv- und Negativsymptome)

Psychotische Störungen sind gekennzeichnet durch eine Kombination aus sogenannten Positivsymptomen (hinzugekommene Symptome, die normalerweise nicht vorhanden sind) und Negativsymptomen (Symptome, die eine Reduktion normaler Funktionen darstellen).

1. Positivsymptome (Wahrnehmungs- und Denkstörungen)

SymptomBeschreibung
Wahnvorstellungen (Wahn)Falsche, unkorrigierbare Überzeugungen, die im Widerspruch zur Realität und zum kulturellen Hintergrund stehen (z.B. Verfolgungswahn, Größenwahn, Beziehungswahn).
HalluzinationenTrugwahrnehmungen ohne entsprechenden äußeren Reiz. Am häufigsten sind akustische Halluzinationen (Stimmenhören), aber auch visuelle, taktile oder olfaktorische Halluzinationen sind möglich.
Formale DenkstörungenStörungen des Denkablaufs (nicht des Inhalts), z.B. Gedankenabreißen (plötzliches Stoppen des Gedankenflusses), Assoziationslockerung (unsinnige oder zusammenhangslose Äußerungen).
Ich-StörungenStörungen der Grenzen zwischen dem eigenen Ich und der Außenwelt. Betroffene erleben, dass ihre Gedanken eingegeben oder entzogen werden oder dass sie von außen kontrolliert werden.

2. Negativsymptome (Funktionsverluste)

Negativsymptome bezeichnen einen Mangel an normalen psychischen Funktionen und sind oft schwieriger zu behandeln:

  • Affektverflachung:
    Reduzierte oder eingeschränkte emotionale Reaktivität und Ausdrucksfähigkeit.
  • Alogie (Sprachverarmung):
    Reduzierte Sprachproduktion oder -inhalte.
  • Anhedonie:
    Unfähigkeit, Freude oder Vergnügen zu empfinden.
  • Asozialität:
    Reduziertes Interesse an sozialen Interaktionen und Beziehungen.
  • Antriebsmangel:
    Fehlende Motivation und Energie zur Initiierung und Aufrechterhaltung zielgerichteter Aktivitäten.

Krankheitsbilder im Spektrum der Psychotischen Störungen

Die Psychose ist ein Symptomenkomplex, der bei verschiedenen Störungen auftreten kann. Nach den Klassifikationssystemen ICD-11 und DSM-5 gehören dazu:

  • Schizophrenie:
    Die bekannteste Form; gekennzeichnet durch das Vorhandensein von psychotischen Symptomen für einen längeren Zeitraum (mindestens 6 Monate, davon 1 Monat aktiver Symptome im DSM-5).
  • Schizoaffektive Störung:
    Eine Kombination aus schizophrenen (psychotischen) Symptomen und affektiven (depressiven oder manischen) Episoden.
  • Wahnhafte Störung:
    Überwiegend durch eine oder mehrere anhaltende Wahnvorstellungen gekennzeichnet, ohne die weiteren komplexen Symptome der Schizophrenie.
  • Akute und vorübergehende psychotische Störung:
    Plötzlicher Beginn von psychotischen Symptomen, die jedoch nach kurzer Zeit (z.B. innerhalb eines Monats) vollständig abklingen.
  • Psychotische Störung aufgrund einer anderen medizinischen Bedingung (Sekundäre Psychose):
    Psychotische Symptome, die direkt durch eine körperliche Erkrankung (z.B. Hirntumor, Epilepsie) oder durch Drogen/Medikamente ausgelöst werden.

Ursachen und Behandlung

Ursachen (Ätiologie)

Die genauen Ursachen sind multifaktoriell und nicht vollständig geklärt. Man geht von einem Vulnerabilitäts-Stress-Modell aus:

  • Genetische Vulnerabilität:
    Eine erhöhte Anfälligkeit aufgrund genetischer Faktoren (erhöhtes Risiko bei Verwandten).
  • Neurobiologische Faktoren:
    Dysregulation von Neurotransmittern, insbesondere des Dopaminsystems im Gehirn.
  • Umweltfaktoren/Stressoren:
    Belastende Lebensereignisse, Traumata, Drogenkonsum (insbesondere Kokain und Cannabis) und soziale Isolation können als Auslöser wirken.

Behandlung

Die Therapie psychotischer Störungen erfolgt multimodal und ruht auf mehreren Säulen:

  1. Medikamentöse Therapie:
    Antipsychotika (Neuroleptika) sind die wichtigste Säule zur Behandlung akuter psychotischer Symptome und zur Rückfallprophylaxe. Sie zielen hauptsächlich auf die Regulierung des Dopaminspiegels ab.
  2. Psychotherapie:
    Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist besonders wichtig, um den Umgang mit Symptomen (z.B. Stimmenhören), die Krankheitsbewältigung und die Stressreduktion zu verbessern.
  3. Psychoedukation:
    Aufklärung des Klienten und der Angehörigen über das Krankheitsbild, die Symptome und die Frühwarnzeichen, um die Compliance und die Prävention von Rückfällen zu stärken.
  4. Soziotherapie/Ergotherapie:
    Unterstützende Maßnahmen zur Reintegration in das soziale und berufliche Umfeld.
« zurück zum Glossar-Index