Bulimie

Bulimie ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die unbedingt behandelt werden muss.

Betroffene haben bei dieser Essstörung anfallsweise unkontrolliertes Verlangen nach Essen. Anschließend führen sie häufig gewichtsreduzierende Maßnahmen durch. Dazu gehört selbst herbeigeführtes Erbrechen (Purging). Daher wird die Bulimie auch als „Ess-Brech-Sucht“ bezeichnet.

Kriterien und Symptome

Die Bulimie tritt vorwiegend im späteren Jugend- und jungen Erwachsenenalter auf. Die Mehrzahl der Betroffenen ist weiblich. Vermutlich leiden jedoch mehr Jungen und Männer an der Erkrankung als bekannt. Die Dunkelziffer wird bei ihnen hoch eingeschätzt, da sie bei psychischen Störungen seltener ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen als Frauen.

  • Das Hauptsymptom einer Bulimie sind regelmäßige Essanfälle. Bei so einem Anfall essen Betroffene innerhalb kurzer Zeit deutlich mehr als die meisten Menschen in einer vergleichbaren Situation. Sie haben das Gefühl, nicht mehr mit dem Essen aufhören zu können und auch keine Kontrolle darüber zu haben, was und wie viel sie essen.
  • Aus Angst vor einer Gewichtszunahme greifen Menschen mit einer Bulimie zu unangemessenen Gegenmitteln. Oft führen Betroffene Erbrechen herbei, essen unregelmäßig oder hungern. Viele treiben auch übermäßig viel Sport oder nutzen Medikamente wie Appetitzügler, Abführmittel oder entwässernde Stoffe.
  • Durch die strengen Diätregeln, die viele Betroffene sich auferlegen und auf Dauer nicht einhalten können, geraten sie häufig in einen Teufelskreis: Das Fasten führt zu Heißhunger und damit zu neuen Essanfällen. Diese wiederum verstärken das Gefühl, gegensteuern zu müssen, um nicht zuzunehmen.
  • Das eigene Aussehen hat bei Menschen mit einer Bulimie einen sehr starken Einfluss auf das Selbstwertgefühl. Sie sind häufig unzufrieden mit ihrer Figur und ihrem Körpergewicht. Oft liegt ihr Wunschgewicht unter dem, was gesund ist.
  • Bei einer Bulimie erleben viele Betroffene ein Auf und Ab: Oft zeigen sie über Monate hinweg keine Symptome. Dann folgen aber immer wieder Phasen, in denen das krankhaftes Essverhalten sehr ausgeprägt ist.

Ursachen und Auslöser

Bei der Entstehung einer Bulimie wirken verschiedene Faktoren zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen können. Man unterscheidet zwischen Ursachen und Auslösern. Nicht immer lassen sich diese allerdings klar voneinander abgrenzen.

Ursachen sind Einflüsse, die die individuelle Anfälligkeit eines Menschen für die Erkrankung bestimmen. Sie können die Entwicklung einer Bulimie begünstigen. Dazu zählen unter anderem

  • biologische und körperliche Einflüsse, zum Beispiel eine erbliche Veranlagung oder häufiges Diäthalten,
  • traumatische Erlebnisse, beispielsweise Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen oder körperliche Vernachlässigung in der Kindheit,
  • bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie ein niedriges Selbstwertgefühl, Perfektionismus oder eine starke Sorge um Aussehen, Figur und Gewicht,
  • familiäre Risikofaktoren, zum Beispiel gestörtes Essverhalten oder eine Essstörung bei Angehörigen oder eine Überbetonung von Schlankheit und Aussehen in der Familie,
  • gesellschaftliche Einflüsse, unter anderem das vorherrschende schlanke Schönheitsideal.

Auslöser dagegen sind konkrete Umstände, die die Bulimie zum Ausbruch bringen können. Dazu gehören unter anderem

  • starker Stress, zum Beispiel durch Ereignisse wie eine Trennung, der Verlust einer nahestehenden Person, ein Umzug oder Mobbing,
  • der Beginn der Pubertät mit ihren körperlichen Veränderungen und wachsenden Herausforderungen,
  • körperliche Faktoren, die das Einhalten von Diäten bedingen – beispielsweise Diabetes Typ I oder ein vor der Erkrankung bestehendes Übergewicht.

Ein erhöhtes Risiko, an der Bulimie zu erkranken, haben auch Menschen, die Leistungssport treiben. Das trifft besonders auf Sportarten zu, bei denen eine schlanke Figur (Ballett, Turnen etc.) und oder das Körpergewicht (z. B. Kampfsport) eine große Rolle spielen. Die sogenannte Anorexia athletica ist zwar noch keine Krankheit. Aus ihr kann jedoch eine Anorexia nervosa entstehen.

Folgen und Verlauf

Bei Menschen mit einer Bulimie liegt das Körpergewicht meist im Normalbereich. Sie können aber auch leicht untergewichtig oder übergewichtig sein. Obwohl man Betroffenen die Erkrankung oftmals nicht ansieht, kann sie schwere gesundheitliche Folgen haben.

Die Erkrankung kann zu zahlreichen körperlichen Beschwerden führen:

  • Häufiges Erbrechen schädigt dauerhaft Zähne und Speiseröhre. Die Speicheldrüsen können sich vergrößern und entzünden.
  • Es kann auch zu Störungen des Salz- und Wasserhaushalts kommen. Schwere und gefährliche Komplikationen können Herzrhythmusstörungen oder eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion sein.
  • Die Essanfälle und der Medikamentenmissbrauch können zudem Verdauungsbeschwerden wie Durchfälle und schwere Verstopfungen verursachen. Durch die großen Nahrungsmengen kann es zum Einreißen des Magens (Magenruptur) kommen.
  • Im Verlauf einer Bulimie kann darüber hinaus ein Mangel an Nährstoffen auftreten. Dieser zeigt sich zum Beispiel durch Herz-Kreislauf-Beschwerden, Haarausfall oder Konzentrationsprobleme. Auch sind Zyklusstörungen und eine beeinträchtigte Fruchtbarkeit möglich.
  • Bei vielen Betroffenen ist die Wahrnehmung des Hunger- und Sättigungsgefühls gestört. Manchmal verschwindet dieses sogar gänzlich.

Eine Bulimie geht häufig auch mit seelischen und sozialen Krankheitsfolgen einher:

  • Die Essanfälle bei einer Bulimie führen zu Schamgefühlen. Daher versuchen Menschen mit Bulimie oft, die Anfälle und auch ihr Diätverhalten geheim zu halten ­– aus Angst vor Ablehnung und Stigmatisierung. Dadurch kann die Krankheit die Beziehung zu anderen Menschen beeinflussen. Oft ziehen sich Betroffene zurück und brechen den Kontakt zu Bezugspersonen ab.
  • Oft leiden Menschen mit einer Bulimie unter weiteren psychischen Erkrankungen, wie etwa Depression oder Angststörungen. Diese können eine Rolle bei deren Entstehung der Essstörung spielen bzw. ihren Verlauf negativ beeinflussen. Umgekehrt kann auch die Bulimie zusätzlich bestehende psychische Begleit- oder Folgeerkrankungen (Komorbiditäten) verstärken.
  • Die Essanfälle können zudem finanzielle Schwierigkeiten verursachen, weil regelmäßig große Nahrungsmengen eingekauft werden müssen.

Eine Bulimie kann in besonders schlimmen Fällen zum Tod führen. Das Sterberisiko (Mortalität) ist nicht so hoch wie bei einer Magersucht, doch im Vergleich zu Gesunden fast verdoppelt. Betroffene haben zudem ein 7-fach höheres Risiko als gesunde Menschen, sich selbst das Leben zu nehmen und Suizid zu begehen.

Behandlung

Die Bulimie ist eine schwerwiegende Erkrankung, die unbedingt behandelt werden muss. Betroffene empfinden ihre Essstörung jedoch häufig als peinlich und scheuen sich davor, professionelle Hilfe zu suchen. Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt und behandelt, kann jedoch eine deutliche Verbesserung der Symptome und auch eine Heilung erreicht werden.

In der Behandlung lernen die Patientinnen und Patienten, wieder normal zu essen. Thema der Therapie sind aber auch die Faktoren, die zu der Krankheit geführt haben und sie aufrechterhalten. Zudem werden zusammen mit den Betroffenen Strategien entwickelt, um einen Rückfall in das gestörte Essverhalten zu verhindern.

Wie eine Bulimie behandelt wird, ist unter anderem abhängig von der Schwere der Erkrankung. Möglich ist

  • eine ambulante Behandlung,
  • eine teil- oder vollstationäre Behandlung in einer Klinik,
  • eine Online-Therapie, bei der die Behandlung zum Teil oder in einigen Fällen ganz digital stattfindet.

Trotz einer erfolgreichen Therapie kann es zu Rückfällen in die Bulimie kommen. Daher ist in der Regel eine längerfristige Nachsorge erforderlich und wichtiger Baustein der Behandlung.

Zu Möglichkeiten der Behandlung können Betroffene und Angehörige sich in einer fachkundigen Beratung informieren. Sie gibt Orientierung und ist oft der erste Schritt aus der Erkrankung.

<< Zurück zum Glossar-Index