Außenorientierung

Die Außenorientierung ist ein Begriff aus der Psychologie, der beschreibt, inwieweit eine Person ihre Wahrnehmung, Entscheidungen und Handlungen primär an externen Faktoren ausrichtet. Sie steht im Gegensatz zur Innenorientierung (oder Selbstorientierung), bei der innere Zustände, Gefühle und eigene Werte die Hauptrichtschnur des Handelns bilden.

Die Außenorientierung ist kein einzelnes, feststehendes psychologisches Konstrukt, sondern wird in verschiedenen Theorien und Kontexten betrachtet:

Kontext und Merkmale der Außenorientierung

1. Kognitionspsychologie und Motivationstheorie

In diesen Bereichen wird Außenorientierung oft mit folgenden Konzepten in Verbindung gebracht:

  • Extrinsische Motivation:
    Das Handeln wird durch äußere Anreize motiviert (z.B. Belohnung, Anerkennung, Vermeidung von Strafe), nicht durch die Freude an der Tätigkeit selbst.
  • Fremdbestimmung (Heteronomie):
    Die Person erlebt sich als Objekt der Umwelt, dessen Verhalten hauptsächlich von externen Zwängen gesteuert wird (Gegensatz zu Autonomie).
  • Soziale Validierung:
    Die eigenen Meinungen und Urteile werden danach ausgerichtet, ob sie von der sozialen Gruppe bestätigt werden.

2. Persönlichkeitspsychologie (Locus of Control)

Ein klassisches Konzept zur Beschreibung der Außenorientierung ist der Externe Kontrollüberzeugungsort (Locus of Control), geprägt von Julian Rotter:

  • External Locus of Control:
    Außenorientierte Personen glauben, dass ihr Leben, ihre Erfolge und Misserfolge größtenteils von äußeren Kräften (Schicksal, Zufall, andere Menschen, System) bestimmt werden. Sie sehen wenig direkten Einfluss ihrer eigenen Anstrengung oder Kompetenz.
  • Implikation:
    Dies kann zu einem Gefühl der Hilflosigkeit führen, da die Kontrolle außerhalb der eigenen Reichweite liegt.

3. Klinische Psychologie (Soziale Ängste)

Bei Personen mit hoher sozialer Ängstlichkeit oder Unsicherheit kann sich eine starke Außenorientierung in Form von Hypervigilanz äußern:

  • Hohe Beobachtung des sozialen Umfelds:
    Die Aufmerksamkeit ist konstant darauf gerichtet, wie andere Menschen auf das eigene Verhalten reagieren.
  • Fokus auf soziale Signale:
    Jede Geste, Mimik oder Reaktion des Gegenübers wird interpretiert, um das eigene Verhalten blitzschnell anzupassen und Ablehnung zu vermeiden („What should I do?“).

Abgrenzung zur Innenorientierung

Merkmal Außenorientierung Innenorientierung
Quelle der Motivation Belohnung, Anerkennung, Pflichtgefühl Interesse, Freude, eigene Werte
Kontrollüberzeugung Externe Faktoren (Zufall, andere) Interne Faktoren (eigene Anstrengung)
Fokus der Aufmerksamkeit Reaktionen anderer, soziale Normen Eigene Gefühle, Bedürfnisse, Körperempfinden
Entscheidungsbasis Was erwartet man von mir? Was will ich wirklich?

Außenorientierung in der Psychotherapie

Die therapeutische Relevanz der Außenorientierung ist hoch, da sie oft mit psychischen Belastungen, Entscheidungsblockaden und einer geringen Selbstwirksamkeitserwartung einhergeht. In der Therapie wird versucht, die Außenorientierung zu reduzieren und die Innenorientierung (Selbststeuerung) zu stärken.

Hier sind die wichtigsten therapeutischen Ansatzpunkte:

1. Diagnostische Relevanz

Die Identifizierung einer starken Außenorientierung hilft bei der Diagnosestellung und der Therapieplanung, da sie sich in verschiedenen Störungsbildern manifestiert:

  • Abhängigkeit und geringes Selbstwertgefühl:
    Menschen, die ständig Anerkennung oder Validierung von außen benötigen.
  • Soziale Angststörungen:
    Die ständige Überwachung und Antizipation negativer externer Reaktionen führt zu Vermeidung und Angst.
  • Depression:
    Oft gekoppelt mit einem externen Kontrollüberzeugungsort („Ich bin meinen Umständen hilflos ausgeliefert“).
  • Burnout:
    Kann entstehen, wenn die eigenen Bedürfnisse (Innenorientierung) chronisch zugunsten externer Anforderungen (Außenorientierung) ignoriert werden.

2. Therapeutische Ansatzpunkte

Das therapeutische Ziel ist es, den Klienten dabei zu unterstützen, wieder Zugang zu seinen internalen Informationsquellen zu finden und die Kontrolle über das eigene Leben zu internalisieren.

A. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

  • Identifikation von automatischen Gedanken:
    Klienten lernen, ihre kognitiven Schemata zu erkennen, die die Außenorientierung verstärken (z.B. „Ich bin nur gut, wenn andere mich loben“).
  • Arbeit am Locus of Control:
    Die Therapie hilft, den externen Kontrollüberzeugungsort zu hinterfragen und Beweise für die eigene Selbstwirksamkeit zu sammeln. Durch kleine, selbstbestimmte Erfolgserlebnisse wird die Überzeugung gestärkt, dass eigene Anstrengung das Ergebnis beeinflusst.
  • Validierung:
    Die Therapeutin validiert die inneren Gefühle und Bedürfnisse des Klienten, die bisher ignoriert wurden, und gibt ihnen somit einen Wert.

B. Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie

  • Fokus auf innere Erlebnisse:
    Der Therapeut schafft einen sicheren Raum, in dem der Klient seine inneren Empfindungen, Wünsche und Werte ohne Angst vor externer Bewertung erforschen kann.
  • Förderung der Kongruenz:
    Ziel ist es, die Diskrepanz zwischen dem wahren Selbst (Innenorientierung) und dem idealen Selbst (das auf externe Erwartungen ausgerichtet ist) zu verringern.

C. PSI-Theorie und Motivationspsychologie

  • Stärkung der Selbststeuerung:
    Im Rahmen der PSI-Theorie kann an der funktionalen Entkopplung (dem Abschalten negativer Affekte und externer Ablenkungen) gearbeitet werden.
  • Emotionsregulationstraining:
    Klienten lernen, ihre negativen affektiven Systeme (die oft durch Außenorientierung getriggert werden) aktiv zu regulieren, um in den Handlungsmodus (Innenorientierung/Selbststeuerung) wechseln zu können.
  • Integration affektiver Signale:
    Es wird trainiert, affektive Signale (wie z.B. Unlust bei einer Aufgabe) nicht als externen Zwang, sondern als interne Information zu nutzen, die auf nicht erfüllte Bedürfnisse hinweist.

3. Langfristige Ziele

Das therapeutische Ziel ist die Entwicklung von Autonomie und Resilienz:

  1. Entscheidungsfindung:
    Klienten lernen, Entscheidungen basierend auf den eigenen Werten und Bedürfnissen zu treffen, anstatt nur nach externen Meinungen zu suchen.
  2. Abgrenzung:
    Die Fähigkeit, gesunde Grenzen zu setzen und sich von überzogenen externen Forderungen zu schützen.
  3. Werteklärung:
    Die Arbeit an den Kernwerten der Person, um ein inneres Navigationssystem zu schaffen, das weniger anfällig für äußere Einflüsse ist.
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