Halluzinationen

Halluzinationen sind ein Kernsymptom vieler psychischer Störungen, insbesondere der Psychosen. In der Psychopathologie handelt es sich dabei um eine Wahrnehmungsstörung.

Definition in der Psychologie

Eine Halluzination ist eine Wahrnehmung ohne entsprechenden äußeren Reiz.

Das bedeutet: Die betroffene Person erlebt eine Sinneswahrnehmung (sie sieht, hört, riecht, schmeckt oder fühlt etwas), obwohl objektiv kein externer Reiz vorhanden ist, der diese Wahrnehmung auslösen könnte.

Kernmerkmale einer Halluzination:

  1. Fehlender Reiz:
    Die Wahrnehmung tritt ohne ein reales sensorisches Objekt auf.
  2. Überzeugender Realitätscharakter:
    Die Wahrnehmung wird als echt und real erlebt, als ob sie tatsächlich von außen käme.
  3. Lokalisation im Außenraum:
    Die Wahrnehmung wird in der Regel außerhalb des eigenen Körpers (im Gegensatz zu manchen Illusionen oder pseudohalluzinationen) lokalisiert.

Abgrenzung von Illusionen und Pseudohalluzinationen

  • Illusion:
    Eine Verkennung oder Fehldeutung eines tatsächlich vorhandenen äußeren Reizes. Beispiel: Jemand hält ein Schattenmuster an der Wand für eine Person.
  • Pseudohalluzination:
    Die Wahrnehmung wird als nicht real erkannt und innerhalb des Körpers (im Kopf, vor den Augen) erlebt. Beispiel: Der Betroffene hört eine Stimme in seinem Kopf und weiß, dass sie nicht real ist.

Klassifikation nach Sinnesorganen

Halluzinationen werden nach dem Sinneskanal, den sie betreffen, unterschieden:

Art der Halluzination Betroffenes Sinnesorgan Typisches Vorkommen
Akustische Halluzinationen (auditorisch) Hören Häufigste Form bei Schizophrenie. Hören von Stimmen, Geräuschen oder Musik.
Visuelle Halluzinationen (optisch) Sehen Eher typisch für organische Störungen (z. B. Delir, Drogenentzug) oder Demenz.
Olfaktorische Halluzinationen Riechen Riechen von oft unangenehmen Gerüchen (z. B. Gas, Verwesung).
Gustatorische Halluzinationen Schmecken Schmecken von (meist ekligen) Geschmäckern.
Taktile Halluzinationen Fühlen/Tastsinn Fühlen von Dingen auf oder unter der Haut (z. B. Kribbeln, Insektenkrabbeln).
Zönästhetische Halluzinationen Körperempfinden Abnorme, oft bizarre Körperempfindungen (z. B. Fühlen, dass Organe schrumpfen oder sich auflösen).

Vorkommen bei psychischen Störungen

Halluzinationen sind ein Leitsymptom für schwere psychische Erkrankungen:

  • Schizophrenie (F20):
    Akustische Halluzinationen sind das wichtigste Symptom (häufig dialogisierende oder kommentierende Stimmen, die sich auf den Patienten beziehen).
  • Delir und Entzug (F1x):
    Vor allem visuelle, taktile und akustische Halluzinationen (z. B. beim Alkoholentzugsdelir).
  • Affektive Störungen (F30-F39):
    Bei sehr schweren Depressionen oder Manien können Halluzinationen auftreten, die meist stimmungskongruent sind (z. B. hört ein depressiver Patient Stimmen, die ihn verurteilen).
  • Organische Störungen:
    Bei Epilepsie (epileptische Auren) oder Hirntumoren können olfaktorische oder visuelle Halluzinationen auftreten.

Psychopathologischer Mechanismus

Psychologisch gesehen wird angenommen, dass Halluzinationen auf einer Störung der Wahrnehmungsfilterung und der Wirklichkeitsprüfung basieren. Das Gehirn generiert interne Informationen (Gedanken, Erinnerungen) und attribuiert diese fälschlicherweise als externe Wahrnehmung.

  • Beispiel (Schizophrenie):
    Die Person denkt etwas und interpretiert diesen internen Gedanken aufgrund einer Störung der kortikalen Filterprozesse als externe Stimme (akustische Halluzination).

Therapeutische Behandlung

Die therapeutische Behandlung von Halluzinationen in der Psychotherapie, insbesondere wenn sie im Rahmen einer Psychose (wie Schizophrenie) auftreten, konzentriert sich darauf, den Umgang mit den Stimmen oder Visionen zu verbessern und die Belastung zu reduzieren. Sie zielt nicht darauf ab, die Halluzinationen direkt zu beseitigen – das ist primär Aufgabe der Medikation (Pharmakotherapie).

Der wichtigste psychotherapeutische Ansatz ist die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), oft in Kombination mit spezialisierten Ansätzen wie der Kognitiven Therapie bei Psychosen (CTp).

1. Kognitive Therapie bei Akustischen Halluzinationen (Stimmen hören)

Hier liegt der Fokus darauf, die wahnhafte Attribution der Stimmen zu verändern.

A. Realitätsprüfung und Attribution

  • Hinterfragen der Macht:
    Der Therapeut arbeitet daran, die Überzeugung des Patienten zu erschüttern, dass die Stimmen allmächtig, böse oder von externen Mächten kontrolliert sind.
  • Entlarven des Inhaltes:
    Die Inhalte der Stimmen werden auf ihre Logik und Wahrheit hin geprüft (ähnlich der kognitiven Umstrukturierung). Ziel ist zu erkennen, dass die Stimmen oft widersprüchlich, unlogisch und irrelevant sind.
  • Internalisierung:
    Der Patient lernt, die Stimmen nicht mehr als äußeren Befehl oder Verfolgung, sondern als Produkt des eigenen Gehirns (Pseudohalluzination) zu interpretieren, um die Kontrolle zurückzugewinnen.

B. Umgangsstrategien (Coping Skills)

Der Patient erlernt Techniken, um die akute Belastung durch die Stimmen zu reduzieren:

  • Ablenkung:
    Gezieltes Fokussieren auf andere Reize (z. B. Musik hören, sprechen, leichte körperliche Aktivität).
  • Stimmen-Dialog:
    Das Erstellen eines Regelwerks für den Umgang mit den Stimmen. Beispielsweise: „Ich antworte den Stimmen nicht.“ oder „Ich stelle eine Gegenfrage.“
  • Achtsamkeit und Entspannung:
    Techniken, um Stress und Angst zu reduzieren, da diese die Intensität der Halluzinationen oft verstärken.

2. Exposition und Verhaltenstherapeutische Ansätze

Einige therapeutische Ansätze helfen, die emotionale Reaktion auf die Halluzinationen zu verändern.

  • Exposition:
    Bei weniger schweren Verlaufsformen kann der Patient lernen, sich den Stimmen oder Visionen kontrolliert auszusetzen, um die Angst zu desensibilisieren.
  • Verhaltens-Experimente:
    Testen der wahnhaften Erwartungen, die aus den Halluzinationen resultieren. Beispiel: Eine Stimme sagt, die Person soll einen Raum meiden. Das Experiment besteht darin, den Raum zu betreten, um zu zeigen, dass die negativen Konsequenzen ausbleiben.

3. Psychoedukation und Soziale Unterstützung

Dies ist die Basis jeder Behandlung:

  • Psychoedukation:
    Aufklärung über die Krankheit, die Natur von Halluzinationen und die Notwendigkeit der Medikation zur Senkung der Symptomintensität.
  • Normalisierung:
    Dem Patienten wird vermittelt, dass er mit diesem Symptom nicht allein ist und dass es Behandlungsmöglichkeiten gibt, ohne die subjektive Realität der Stimmen abzuwerten.

Zusammenfassend zielt die Psychotherapie darauf ab, die Selbstwirksamkeit des Patienten im Umgang mit den Halluzinationen zu stärken und die Lebensqualität trotz des Symptoms zu verbessern.

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