Wahrnehmung

Die Wahrnehmung (Perzeption) ist ein zentrales und fundamentales Gebiet der Psychologie und insbesondere auch der Kognitiven Psychologie. Sie beschreibt den komplexen Prozess, durch den der Mensch sensorische Informationen aus der Umwelt (und dem eigenen Körper) auswählt, organisiert, interpretiert und ihnen Bedeutung verleiht.

Die Wahrnehmung ist somit der Prozess, der sensorische Rohdaten in ein kohärentes, bedeutungsvolles Bild der Realität umwandelt.

Der Prozess der Wahrnehmung

Die Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess, der über die reine Sinnesempfindung (Sensorik) hinausgeht und in mehreren Stufen abläuft:

1. Sensorik (Empfindung)

Dies ist die erste Stufe, bei der physikalische Reize (z. B. Lichtwellen, Schallwellen, Druck) von den Sinnesorganen (Augen, Ohren, Haut usw.) aufgenommen und in neuronale Signale umgewandelt werden (Transduktion).

2. Organisation (Gestaltgesetze)

Die eintreffenden Signale werden im Gehirn strukturiert und gruppiert. Hier greifen Prinzipien wie die Gestaltgesetze (z. B. Gesetz der Nähe, Gesetz der Ähnlichkeit), die bestimmen, wie wir Teile zu einer sinnvollen Gesamtheit zusammenfassen.

3. Interpretation (Kognition)

In dieser Phase werden die organisierten Sinneseindrücke mit Gedächtnis, Wissen, Erwartungen und Emotionen abgeglichen. Erst hier erhält der Sinneseindruck seine Bedeutung (z. B. Die neuronale Struktur wird als „roter Apfel auf dem Tisch“ identifiziert).

Einflussfaktoren

Die Wahrnehmung ist nicht eine passive, objektive Aufnahme der Realität, sondern ein subjektiver und konstruktiver Prozess. Sie wird maßgeblich beeinflusst durch:

  • Top-down-Prozesse:
    Wahrnehmung, die von unserem Vorwissen, unseren Erwartungen und unserem Kontext gesteuert wird. Wir sehen, was wir zu sehen erwarten.
  • Bottom-up-Prozesse:
    Wahrnehmung, die von den reinen sensorischen Daten gesteuert wird.
  • Motivation und Emotion:
    Unsere aktuellen Bedürfnisse und Gefühle können unsere Wahrnehmung verzerren

    • Perzeptuelle Abwehr:
      Bedrohliches wird später erkannt;
    • Perzeptuelle Sensibilisierung:
      Erwünschtes wird schneller erkannt.

Zentrale Konzepte

  • Wahrnehmungskonstanz:
    Die Tendenz, Objekte als unverändert wahrzunehmen (z. B. in Form, Größe oder Helligkeit), obwohl sich die sensorischen Informationen ändern (z. B. weil wir uns entfernen oder die Lichtverhältnisse wechseln).
  • Perzeptuelle Organisation:
    Der Prozess, durch den wir eine Figur vom Hintergrund unterscheiden (Figur-Grund-Trennung).
  • Tiefenwahrnehmung:
    Die Fähigkeit, dreidimensionale Beziehungen und Entfernungen abzuschätzen, unter Nutzung monokularer (einäugiger) und binokularer (zweiäugiger) Hinweisreize.
  • Wahrnehmungsfehler:
    Systematische Fehler bei der Interpretation von Reizen, die zu Fehldeutungen führen (z. B. Optische Täuschungen).

Die Wahrnehmungspsychologie ist eng mit der Kognitiven Psychologie verbunden, da die Interpretation von Reizen die Grundlage für unser Denken und Handeln bildet.

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