Fühlen

Fühlen beschreibt in der Psychologie die gesamte affektive Dimension des menschlichen Erlebens. Es ist ein Oberbegriff für innere Zustände, die das Individuum intensiv bewegen, beeinflussen und seine Wahrnehmung, sein Denken und sein Handeln lenken.

Das affektive System ist fundamental für die Motivation, die soziale Interaktion und die Überlebensfähigkeit, da es die Welt in „gut“ (annähernd) und „schlecht“ (vermeidend) einteilt.

Die Dreiteilung des Affektiven Erlebens

Obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden, unterscheidet die wissenschaftliche Psychologie in der Regel drei Niveaus des affektiven Erlebens:

Affekt

  • Definition:
    Kurzfristige, hoch intensive, meist ungezügelte Zustände. Sie sind oft eine sofortige, physiologisch dominante Reaktion auf einen starken Reiz.
  • Beispiele:
    Schreck, Wutausbruch, überwältigende Panik.
  • Dauer:
    Sekunden bis Minuten.

Emotion

  • Definition:
    Zeitlich mittelfristige, komplexere psychische Reaktionen, die sich auf ein konkretes Objekt oder eine Situation beziehen. Sie umfassen physiologische Erregung, kognitive Bewertung und einen Handlungsimpuls.
  • Beispiele:
    Freude über eine bestandene Prüfung, Trauer über einen Verlust, Angst vor einem Hund.
  • Basisemotionen:
    Modelle wie das von Paul Ekman listen universelle Basisemotionen auf (z. B. Freude, Trauer, Angst, Wut, Ekel, Überraschung).

Gefühl

  • Definition:
    Das subjektive, bewusste Erleben der Emotion. Gefühl ist die Innenschau und die Interpretation des emotionalen Zustands und der damit verbundenen körperlichen Empfindungen.
  • Beispiele:
    Man fühlt die Traurigkeit, die die Emotion Trauer auslöst. Man fühlt die Aufregung, die die Emotion Freude begleitet.

Komponenten und Funktion von Emotionen

Jede Emotion besteht aus einem Zusammenspiel mehrerer Komponenten:

  1. Kognitive Komponente (Bewertung):
    Die Interpretation und Bewertung des auslösenden Ereignisses (z. B. „Das ist eine Gefahr“, „Das ist ein Erfolg“).
  2. Physiologische Komponente (Erregung):
    Körperliche Reaktionen, gesteuert vom vegetativen Nervensystem (z. B. erhöhter Herzschlag, Schwitzen, Anspannung).
  3. Verhaltenskomponente (Ausdruck & Motivation):
    Der Ausdruck der Emotion (Mimik, Gestik) und der resultierende Handlungsimpuls (z. B. Flucht bei Angst, Kampf bei Wut).
  4. Subjektive Komponente (Gefühl):
    Das bewusste Erleben des Zustands („Ich bin wütend“).

Funktion

Die Hauptfunktion von Emotionen ist die Anpassung (Adaptation) und die Motivation:

  • Motivation:
    Sie treiben uns an, Lust zu suchen und Unlust zu vermeiden.
  • Kommunikation:
    Mimik und Stimme kommunizieren unsere inneren Zustände schnell und universell an andere.
  • Entscheidungsfindung:
    Gefühle liefern schnelle Informationen über die Relevanz von Reizen und leiten unsere Urteile.

Zentrale Emotionstheorien

In der Geschichte der Psychologie gab es unterschiedliche Modelle, wie Emotionen entstehen:

James-Lange-Theorie (Peripherer Ansatz)

Diese Theorie besagt, dass die körperliche Reaktion der Emotion vorausgeht. Wir erleben zuerst eine physiologische Veränderung und fühlen diese dann als Emotion.

  • Reihenfolge:
    Reiz → Körperliche Reaktion → Gefühl (Wir sind traurig, weil wir weinen).

Cannon-Bard-Theorie (Zentraler Ansatz)

Diese Theorie postuliert, dass die körperliche Erregung und das Gefühl gleichzeitig im Gehirn ausgelöst werden (im Thalamus). Die körperliche Reaktion ist eine Begleiterscheinung, nicht die Ursache des Gefühls.

  • Reihenfolge:
    Reiz → Gleichzeitige Aktivierung von Körper & Gefühl.

Zwei-Faktoren-Theorie (Schachter & Singer)

Die moderne Sichtweise betont die Rolle der kognitiven Bewertung.

  • Reihenfolge:
    Reiz → Körperliche ErregungKognitive Bewertung/Attribution → Gefühl.

    • Um ein Gefühl zu erleben, benötigt der Mensch eine körperliche Erregung und eine passende Erklärung für diese Erregung. Die gleiche körperliche Erregung kann als Angst oder als Freude interpretiert werden, abhängig von der Situation (kognitive Neubewertung).
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