Anpassung (Adaptation)
Anpassung (Adaptation) ist in der Psychologie ein sehr breit gefasster Begriff. Er beschreibt den Prozess, durch den ein Organismus oder ein psychisches System sein Verhalten oder seine Strukturen so verändert, dass eine bessere Passung zwischen sich selbst und den Anforderungen der Umwelt hergestellt wird.
Das Ziel der Anpassung ist oft die Herstellung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts (Homöostase) und die Optimierung des Überlebens und des Wohlbefindens.
1. Biologisch-Evolutionäre Anpassung (Evolutionäre Psychologie)
Hier ist Anpassung ein genetischer Prozess über Generationen hinweg, der die Fitness verbessert.
- Definition:
Genetische Merkmale oder Verhaltensdispositionen, die sich aufgrund ihrer Überlebens- und Reproduktionsvorteile in einer Population durchgesetzt haben. - Beispiel:
Die Fähigkeit zur Angstreaktion ist eine evolutionäre Anpassung, die dazu dient, Gefahren schnell zu erkennen und zu meiden.
2. Kognitive Anpassung (Entwicklungspsychologie nach Piaget)
Jean Piaget beschrieb Anpassung als den Mechanismus, durch den Kinder ihr Denken und ihre kognitiven Schemata an die Umwelt anpassen. Dieser Prozess umfasst zwei sich ergänzende Mechanismen:
- Assimilation:
Neue Informationen werden in bereits bestehende Schemata integriert, ohne dass diese verändert werden.- Beispiel: Ein Kind lernt das Wort „Hund“ und nennt danach alle vierbeinigen Tiere „Hund“.
- Akkommodation:
Das Individuum verändert oder erweitert seine bestehenden Schemata, um sich an eine neue Information oder Situation anzupassen.- Beispiel: Das Kind lernt, dass das Tier mit der Mähne ein „Löwe“ ist und muss das Schema „Hund“ anpassen oder ein neues erstellen.
3. Psychosoziale Anpassung (Bewältigung / Coping)
Dies ist die alltägliche, bewusste oder unbewusste Anpassung an Stress, soziale Situationen und Veränderungen.
- Definition:
Die Bemühung des Individuums, die Anforderungen und Belastungen der Umwelt zu bewältigen und gleichzeitig innere Stabilität zu wahren. - Coping (Bewältigung):
Strategien, die zur Bewältigung von stressreichen Situationen dienen. Man unterscheidet oft:- Problemorientiertes Coping:
Versuch, die Stressquelle direkt zu verändern (z. B. Überstunden reduzieren). - Emotionsorientiertes Coping:
Versuch, die emotionalen Reaktionen auf den Stress zu verändern (z. B. durch Entspannungstechniken).
- Problemorientiertes Coping:
- Soziale Anpassung:
Die Fähigkeit, sich in soziale Normen und Gruppen zu integrieren. Eine übermäßige Anpassung kann jedoch zu Problemen wie Unterdrückung eigener Bedürfnisse führen (z. B. in der Psychotherapie bei abhängigen Persönlichkeitszügen thematisiert).
4. Fehlanpassung (Maladaptation)
Der Gegensatz zur erfolgreichen Anpassung.
- Definition:
Eine Reaktion oder Verhaltensweise, die ursprünglich vielleicht zur Bewältigung diente, langfristig jedoch schädlich ist und das Wohlbefinden oder die Funktion des Individuums beeinträchtigt. - Klinische Relevanz:
Viele psychische Störungen werden als Folge maladaptiver Bewältigungsstrategien oder ungeeigneter Anpassungen betrachtet (z. B. Vermeidungsverhalten bei Angststörungen, das kurzfristig entlastet, langfristig aber die Angst aufrechterhält).
Zusammengefasst ist Adaptation in der Psychologie ein dynamischer, lebenslanger Prozess, der zwischen dem Individuum und seiner Umwelt abläuft.
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