Integrative Psychotherapie (IPT)
Die Integrative Psychotherapie ist keine eigenständige, monolithische Therapieschule wie die Psychoanalyse oder die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), sondern ein übergeordneter Ansatz, der sich dem Ziel verschrieben hat, Elemente und Techniken aus verschiedenen therapeutischen Schulen und Modellen systematisch und theoretisch begründet zu vereinen.
Dieser Ansatz geht davon aus, dass keine einzelne Therapieform für alle Patienten, Probleme oder Situationen die beste ist. Stattdessen wird die Behandlung maßgeschneidert auf die individuellen Bedürfnisse des Klienten zugeschnitten.
Grundgedanken der Integration
Das Ziel der Integrativen Psychotherapie ist es, die Wirksamkeit der Behandlung zu erhöhen, indem die besten verfügbaren Methoden für den jeweiligen Klienten und seine spezifische Störung eingesetzt werden.
Die vier Wege der Integration
Die Integration kann auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden:
- Theoretische Integration:
Der Versuch, die theoretischen Konzepte verschiedener Schulen zu einer umfassenderen, neuen Theorie zu verschmelzen (z.B. die Entwicklung der Konsistenztheorie nach Klaus Grawe). - Aktionsfaktoren-Integration (Common Factors):
Der Fokus liegt auf den gemeinsamen Wirkfaktoren aller erfolgreichen Therapien (z.B. die therapeutische Allianz, Empathie, Erwartungshaltung des Klienten). - Technischer Eklektizismus:
Die bewusste Auswahl und Kombination von Techniken aus verschiedenen Schulen, ohne notwendigerweise eine tiefere theoretische Integration anzustreben. (Wird manchmal kritisch gesehen, wenn es ohne theoretische Grundlage geschieht). - Assimilation/Assimilationistische Integration:
Der Therapeut behält eine Hauptorientierung (z.B. Kognitive Verhaltenstherapie) bei, assimiliert aber Techniken und Konzepte aus anderen Schulen, wenn sie im Einzelfall sinnvoll sind.
Zentrale Integrationsmodelle
Zwei der wichtigsten und bekanntesten Integrationsansätze im deutschsprachigen Raum sind:
1. Die Allgemeine Psychotherapie nach Klaus Grawe
Dieses Modell ist ein Paradebeispiel für die theoretische und technische Integration.
- Grundlage:
Die Konsistenztheorie, die besagt, dass Menschen ein angeborenes Streben nach innerer Widerspruchsfreiheit (Konsistenz) und der Befriedigung von vier Grundbedürfnissen (Bindung, Orientierung/Kontrolle, Lust/Unlust, Selbstwert) haben. - Integrative Vorgehensweise:
Grawe schlug vier Therapieschritte vor, die zielgerichtet Techniken aus verschiedenen Schulen (KVT, tiefenpsychologische Ansätze, humanistische Verfahren) integrieren, um die Grundbedürfnisse des Klienten konsistent zu befriedigen.
2. Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Ein Beispiel für technische Integration mit einem klaren theoretischen Rahmen (KVT):
- Die DBT, primär für die Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt, integriert klassische verhaltenstherapeutische Methoden mit achtsamen und akzeptierenden Elementen, die aus der buddhistischen Praxis und humanistischen Ansätzen stammen.
Vorteile und Kritik
Vorteile der Integrativen Psychotherapie:
- Flexibilität und Passgenauigkeit:
Die Therapie kann optimal an die individuellen und wechselnden Bedürfnisse des Klienten angepasst werden. - Wissenschaftliche Evidenz:
Viele Studien zeigen, dass der größte Teil des Therapieerfolgs auf gemeinsame Wirkfaktoren zurückzuführen ist, was die Integration von Ansätzen unterstützt.
Kritik am Integrativen Ansatz:
- Gefahr des Eklektizismus:
Ohne eine klare theoretische Basis kann die Auswahl der Techniken beliebig und unstrukturiert („Rosinenpicken“) wirken. - Hohe Anforderungen:
Der Therapeut muss fundiertes Wissen über mehrere theoretische Modelle und Techniken besitzen, was eine sehr umfassende Ausbildung erfordert.