Impulsivität
Impulsivität bezeichnet eine überwiegend unüberlegte, ungeplante und unkontrollierte Reaktion auf innere oder äußere Reize, ohne die potenziellen langfristigen Konsequenzen dieser Handlung ausreichend zu berücksichtigen.
In der Psychologie wird Impulsivität oft nicht als einzelne Eigenschaft, sondern als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden, das sowohl normale als auch pathologische Aspekte menschlichen Verhaltens umfasst.
Dimensionen der Impulsivität
Forschung, insbesondere in der Neuropsychologie, unterscheidet oft zwischen verschiedenen Facetten der Impulsivität:
- Motorische Impulsivität:
Bezieht sich auf die Tendenz, schnell und ohne Abwarten auf einen Reiz zu reagieren (z.B. vorschnelles Handeln). - Kognitive Impulsivität:
Bezieht sich auf die Tendenz, schnelle Entscheidungen zu treffen und Informationen nicht gründlich genug zu verarbeiten (z.B. schnelles Raten bei einem Test). - Nicht-Planung (Lack of Planning):
Die Tendenz, Handlungen nicht vorausschauend zu planen. - Sensation Seeking (Erregungssuche):
Die Suche nach neuen, intensiven und komplexen Erfahrungen und die Bereitschaft, dafür physische, soziale, rechtliche oder finanzielle Risiken einzugehen.
Neurobiologische Grundlagen
Impulsivität wird hauptsächlich mit einer Dysfunktion der exekutiven Funktionen in Verbindung gebracht, die in folgenden Hirnregionen angesiedelt sind:
- Präfrontaler Kortex (PFC):
Diese Region, insbesondere der orbitofrontale und ventromediale PFC, ist zuständig für Impulskontrolle, Planung, Bewertung von Konsequenzen und verzögerte Belohnung. Eine verminderte Aktivität in diesen Bereichen ist typisch für impulsive Tendenzen. - Dopamin-System:
Impulsivität ist oft mit einer Dysregulation des dopaminergen Systems verbunden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Belohnungssystem. Impulsive Personen zeigen eine stärkere Präferenz für sofortige, aber kleinere Belohnungen gegenüber größeren, verzögerten Belohnungen (Discounting).
Klinische Relevanz
Übermäßig ausgeprägte oder dysfunktionale Impulsivität ist ein Kernmerkmal vieler psychischer Störungen und kann zu erheblichen Problemen im Alltag führen (z.B. Schulden, Beziehungsabbrüche, Unfälle).
| Störung | Rolle der Impulsivität |
| ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) | Impulsivität ist neben Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit ein Kernkriterium. Manifestiert sich in vorschnellen Antworten, Unterbrechen von Gesprächen und Ungeduld. |
| Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) | Dysfunktionale Impulsivität ist ein diagnostisches Kriterium. Sie zeigt sich in impulsiven Handlungen, die potenziell selbstschädigend sind (z.B. risikoreiches Sexualverhalten, Drogenmissbrauch, Essattacken, Suizidversuche). |
| Bipolare Störung | Während der manischen Phasen kommt es oft zu massiver Impulsivität in Form von leichtsinnigen finanziellen Ausgaben, schnellen Entscheidungen oder risikoreichem Verhalten. |
| Substanzstörungen (Sucht) | Die Unfähigkeit, den Drang zum Konsum zu verzögern oder zu kontrollieren, ist eine Form der Impulsivität (Kontrollverlust). |
Therapie
In der Psychotherapie wird die Behandlung der Impulsivität oft durch die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) angestrebt:
- DBT: Speziell bei BPS werden Fertigkeiten zur Skills-Entwicklung trainiert, um das Handeln zwischen Reiz und Reaktion bewusst zu steuern und die emotionale Intensität zu dämpfen.
- KVT: Der Fokus liegt auf dem Training von Entscheidungsfindung, dem Erlernen von Abwarten und dem kognitiven Prozess der Konsequenzenabschätzung vor einer Handlung.