Aggression

Aggression ist in der Psychologie ein komplexes Verhaltensmuster, das darauf abzielt, einer anderen Person (oder sich selbst, oder Objekten) Schaden zuzufügen – sei es physisch oder psychisch. Sie wird sowohl als angeborener Trieb (psychodynamisch) als auch als erlerntes Verhalten (kognitiv-behavioral) oder als Reaktion auf Frustration und Bedrohung betrachtet.

Psychologische Konzepte der Aggression

Die Psychologie unterscheidet verschiedene Formen und Erklärungsansätze für aggressives Verhalten:

Formen der Aggression

  • Feindselige (emotionale) Aggression:
    Diese Form ist impulsiv und primär durch das Ziel motiviert, Schmerz oder Verletzung zuzufügen. Sie ist oft eine direkte emotionale Reaktion auf Wut, Frustration oder Provokation.

    • Beispiel: Jemand schlägt impulsiv zu, nachdem er beleidigt wurde.
  • Instrumentelle Aggression:
    Diese Form ist kalkuliert und dient als Mittel zum Zweck (instrumental), um ein anderes, nicht-aggressives Ziel zu erreichen. Das Zufügen von Schaden ist ein notwendiges, aber nicht das primäre Ziel.

    • Beispiel: Ein Dieb stößt jemanden beiseite, um schneller an die Beute zu gelangen.

Historische Erklärungsmodelle

In der Psychologie gibt es verschiedene, historisch gewachsene und den Paradigmen der einzelnen „Schulen“ folgende Erklärungsmodelle der Aggression:

Allgemeines Aggressionsmodell (GAM)

Das heute in der Psychologie am weitesten verbreitete und integrativste Modell zur Erklärung von Aggression ist das Allgemeine Aggressionsmodell (General Aggression Model, GAM), entwickelt von Craig A. Anderson und Brad J. Bushman.

Es verbindet und erklärt verschiedene Einflussfaktoren (biologische, situative, kognitive) miteinander verbindet und erklärt, wie sie kurz- und langfristig zu aggressivem Verhalten führen in einem mehrstufigen Modell.

Kernkomponenten des GAM

Das Modell beschreibt, wie verschiedene Faktoren Aggression in einer bestimmten Situation beeinflussen können. Es besteht aus drei Hauptkomponenten, die in einer episodischen Abfolge ablaufen:

1. Eingangsgrößen (Inputs)

Die Aggression in einer bestimmten Situation wird durch die Interaktion von zwei Hauptkategorien von Faktoren bestimmt:

Faktor Beschreibung Beispiele
Situative Faktoren (Unmittelbare Reize) Externe Ereignisse, die direkt in der aktuellen Situation auf die Person einwirken. Provokation, Frustration, Schmerz, hohe Umgebungstemperatur, Anwesenheit aggressiver Hinweisreize (z. B. Waffen), Alkoholkonsum.
Personale Faktoren (Dispositionen) Individuelle Unterschiede, die eine Person in die Situation mitbringt und die relativ stabil sind. Aggressivität als Persönlichkeitsmerkmal (Trait-Aggressivität), feindseliger Attributionsstil, normative Überzeugungen über Aggression, vorhandene Wissensstrukturen (aggressive Schemata/Skripte), Geschlecht.
2. Interne Zustände (Routes)

inneren Zustände einer Person. Diese stellen die direkten Auslöser für das Verhalten dar. Das GAM unterscheidet hierbei drei miteinander verbundene Routen:

  • Kognition (Cognition):
    Aktivierung aggressiver Gedanken, Schemata (z. B. feindselige Interpretationen) oder Überzeugungen.
  • Affekt (Affect):
    Emotionale Reaktionen, wie das Erleben von Ärger und Feindseligkeit.
  • Erregung (Arousal):
    Physiologische Erregung (z. B. erhöhter Herzschlag, Stresshormone), die unabhängig von der Emotion ist.

Diese aktivierten internen Zustände erhöhen die Wahrscheinlichkeit für eine aggressive Reaktion.

3. Bewertung und Verhalten (Appraisal and Outcome)

Die internen Zustände führen zu einem schnellen, automatischen Bewertungsprozess der Situation.

  • Sofortige Bewertung (Immediate Appraisal):
    Die Person bewertet die Situation schnell und automatisch. Ist die kognitive Kapazität gering (z. B. bei starker Erregung oder Zeitdruck), wird oft das erste zugängliche Verhaltensskript ausgeführt, was schnell zu aggressivem Verhalten führen kann.
  • Sekundäre Neubewertung (Reappraisal):
    Besteht ausreichend Zeit und Kapazität, kann eine reflektierte Neubewertung erfolgen. Die Person hinterfragt die automatische Reaktion, berücksichtigt Konsequenzen und sucht nach nicht-aggressiven Alternativen. Dies kann aggressives Verhalten verhindern oder abschwächen.

Das daraus resultierende Verhalten (aggressiv oder nicht-aggressiv) bildet den Output des Zyklus und beeinflusst gleichzeitig die zukünftigen personalen Faktoren der Person (Lerneffekt), wodurch sich eine langfristige Aggressionsneigung entwickeln kann.

Anwendung und Bedeutung

Das GAM ist ein Metamodell, da es kurzfristige (episodische) Prozesse mit langfristigen (entwicklungsspezifischen) Prozessen verknüpft. Es wird häufig verwendet, um die Auswirkungen von Mediengewalt (z. B. gewalthaltige Videospiele) zu erklären, indem diese als situativer Input aggressive Schemata aktivieren und durch wiederholte Aktivierung langfristig die personalen Faktoren verändern.

Aggression in der Psychotherapie

In der Psychotherapie ist der Umgang mit Aggression ein essenzieller Bestandteil der Behandlung, sowohl in Bezug auf fremdaggressives als auch autoaggressives (selbstverletzendes) Verhalten.

Ziele der Therapie

  • Identifikation:
    Patienten lernen, die Auslöser (Trigger), die gedanklichen Bewertungen und die körperlichen Frühwarnzeichen ihrer Aggression zu erkennen.
  • Emotionsregulation:
    Entwicklung von funktionalen Techniken, um die intensive emotionale Erregung (Wut) zu regulieren, bevor sie in eine impulsive Tat umschlägt.
  • Konstruktive Kommunikation:
    Erlernen, Bedürfnisse, Frustration und Ärger verbal und assertiv auszudrücken, anstatt sie durch Aggression zu kompensieren.

Therapeutische Ansätze

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