Anamnese
Die Anamnese in der Psychotherapie ist die systematische Erhebung der Vorgeschichte des Klienten (Patienten) und seiner aktuellen Beschwerden durch den Therapeuten.
Der Begriff stammt aus dem Griechischen (anámnēsis) und bedeutet „Erinnerung“ oder „Wiedererinnerung“. Ziel der Anamnese ist es, ein umfassendes Bild über die Entwicklung der Symptome, die biografischen Hintergründe und die relevanten Lebensumstände zu gewinnen. Sie ist die Grundlage für die anschließende Diagnosestellung und die Erstellung des individuellen Behandlungsplans.
Ziele der Anamnese
Die Anamnese verfolgt in der Psychotherapie mehrere Hauptziele:
-
Verständnis der Symptome:
Präzise Erfassung der Art, Dauer, Intensität und Auslöser der aktuellen Beschwerden (sogenannte Aktualanamnese). - Biografischer Kontext:
Identifizierung von relevanten Ereignissen und Mustern in der Lebensgeschichte des Klienten, die zur Entwicklung der Störung beigetragen haben könnten (Biografische Anamnese). - Ausschluss organischer Ursachen:
Feststellung, ob die Symptome mölichgerweise eine körperliche Ursache haben. - Ressourcen und Stärken:
Erfassung der Ressourcen, Bewältigungsstrategien und sozialen Unterstützungssysteme des Klienten. - Grundlage für die Diagnose:
Sammeln aller notwendigen Informationen, um eine gesicherte Diagnose nach Klassifikationssystemen wie ICD-11 oder DSM-5 stellen zu können.
Wichtige Bereiche der Anamnese
Eine vollständige Anamnese deckt in der Psychotherapie typischerweise folgende Bereiche ab:
| Anamnesebereich | Relevante Informationen |
| Aktuelle Beschwerden | Dauer, Verlauf, Schweregrad, Auslöser, bisherige Behandlungsversuche. |
| Psychische Anamnese | Vorangegangene psychische Erkrankungen, Therapien, Suizidgedanken. |
| Soziale Anamnese | Familienstand, Beziehungsstatus, Wohnsituation, soziale Kontakte und Isolation. |
| Berufs-/Schulanamnese | Bildungsweg, aktuelle berufliche Tätigkeit, Arbeitszufriedenheit, Konflikte am Arbeitsplatz. |
| Medizinische Anamnese | Körperliche Erkrankungen, Operationen, Medikamenteneinnahme (vom Hausarzt bestätigen lassen). |
| Biografische Anamnese | Entwicklung in der Kindheit (z. B. Bindungserfahrungen), Pubertät, kritische Lebensereignisse (z. B. Verluste, Trennungen, Traumata). |
| Familienanamnese | Psychische oder körperliche Erkrankungen bei direkten Verwandten (z. B. Eltern, Geschwister). |
Die Anamnese erfolgt meist in den ersten Sitzungen (Sprechstunden und probatorischen Sitzungen) und ist ein iterativer Prozess, der im Therapieverlauf vertieft wird. Sie ist eng mit der Diagnostik und der Indikationsstellung verbunden.
« zurück zum Glossar-Index