Behaviorismus

Der Behaviorismus ist eine psychologische Strömung, die sich ausschließlich auf das objektiv beobachtbare Verhalten von Menschen und Tieren konzentriert und dieses durch Umweltreize erklärt. Er entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts und prägte die Psychologie über viele Jahrzehnte.

Kernprinzipien und Vertreter

Prinzip Erklärung Wichtige Vertreter
Fokus auf das Beobachtbare Psychologie sollte eine objektive Naturwissenschaft sein. Innere Prozesse (Gedanken, Gefühle, Motive) werden als „Black Box“ betrachtet, die nicht wissenschaftlich untersucht werden können und daher für die Erklärung von Verhalten irrelevant sind. John B. Watson (Begründer), Iwan P. Pawlow, B. F. Skinner
Reiz-Reaktions-Modelle Verhalten wird als eine Kette von Reaktionen (R) auf bestimmte Umweltreize (S) verstanden (S-R-Modell). Lernen ist die Assoziation zwischen Reizen und Reaktionen.
Der Mensch als Maschine Das Menschenbild ist reduktionistisch. Der Mensch wird als ein durch seine Umwelt konditionierbares Wesen ohne freien Willen oder eigenständige kognitive Prozesse betrachtet.

Behavioristische Lerntheorien

Die zentralen Lerntheorien des Behaviorismus sind die verschiedenen Formen der Konditionierung:

1. Klassische Konditionierung (Pawlow)

Die klassische Konditionierung (auch Signallernen genannt) ist ein Prozess, bei dem ein Organismus lernt, zwei Reize miteinander zu assoziieren.

  • Grundprinzip:
    Ein neutraler Reiz (NS) löst nach wiederholter Koppelung mit einem unbedingten Reiz (UCS) schließlich auch allein die unbedingte Reaktion (UCR) aus. Der neutrale Reiz wird zum bedingten Reiz (CS), der die bedingte Reaktion (CR) auslöst.
  • Beispiel: Pawlows Hundeexperimente:
    Der neutrale Glockenton (NS) wurde mit Futter (UCS) gekoppelt, was anfangs Speichelfluss (UCR) auslöste. Nach mehrmaliger Koppelung löste der Glockenton (CS) allein den Speichelfluss (CR) aus.

2. Operante Konditionierung (Skinner)

Die operante Konditionierung (auch Lernen durch Konsequenzen oder Lernen am Erfolg genannt) beschreibt den Prozess, bei dem die Häufigkeit eines spontanen Verhaltens durch dessen nachfolgende Konsequenzen beeinflusst wird.

  • Grundprinzip:
    Ein Verhalten wird durch Verstärkung (Belohnung) in seiner Häufigkeit erhöht und durch Bestrafung in seiner Häufigkeit gesenkt.
  • Formen der Konsequenzen (Verstärkung und Bestrafung):
    • Positive Verstärkung:
      Hinzufügen eines angenehmen Reizes (Belohnung –> Verhalten nimmt zu).
    • Negative Verstärkung:
      Entfernen eines unangenehmen Reizes (Erleichterung –> Verhalten nimmt zu).
    • Positive Bestrafung:
      Hinzufügen eines unangenehmen Reizes (Strafe –> Verhalten nimmt ab).
    • Negative Bestrafung:
      Entfernen eines angenehmen Reizes (Entzug –> Verhalten nimmt ab).
  • Experiment: Skinner-Box (z. B. Ratte drückt Hebel, um Futter zu erhalten).

Kritik am Behaviorismus

Der Behaviorismus wurde stark kritisiert, was zur kognitiven Wende in der Psychologie führte:

  • Vernachlässigung innerer Prozesse:
    Die Ausklammerung von Kognitionen (Denken, Planen, Sprache), Emotionen und Motiven wird als zu starke Reduktion des menschlichen Erlebens betrachtet.
  • Menschenbild:
    Das Menschenbild ist zu mechanistisch und ignoriert die Selbststeuerung und den freien Willen des Menschen.
  • Erklärung komplexen Lernens:
    Komplexe menschliche Lernprozesse (z. B. Sprache oder Problemlösung durch Einsicht) lassen sich nicht ausreichend durch einfache Reiz-Reaktions-Ketten erklären.
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