Beziehungsmotive

In der Psychologie bezeichnen Beziehungsmotive die tief verwurzelten, überdauernden Bedürfnisse und Antriebe, die unser Verhalten in zwischenmenschlichen Interaktionen initiieren, steuern und aufrechterhalten. Sie sind essenziell für unser Wohlbefinden und die Persönlichkeitsentwicklung, da Menschen grundlegend soziale Wesen sind.

Die wichtigsten Beziehungsmotive lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: die universellen sozialen Grundmotive aus dem Bereich der Motivationspsychologie und spezifischere, in der klinischen Psychologie und Psychotherapie verwendete Beziehungsschemata.

Beziehungsmotive in der Motivationspsychologie

Universelle Soziale Grundmotive (McClelland’s „Big Three“)

Die Motivationspsychologie identifiziert traditionell drei übergeordnete soziogene Motive (durch Sozialisation erworbene Bedürfnisse), die stark das Beziehungsverhalten prägen:

Anschlussmotiv (Affiliation)

  • Definition:
    Das Bedürfnis, positive, warme und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen aufzubauen, aufrechtzuerhalten oder gestörte Beziehungen wiederherzustellen. Es zielt auf Zugehörigkeit, Akzeptanz und Geborgenheit.
  • Ausprägung:
    Menschen mit einem starken Anschlussmotiv suchen soziale Nähe, pflegen Kontakte intensiv und meiden Konflikte, um Harmonie zu sichern.

Machtmotiv (Power)

  • Definition:
    Das Bedürfnis, auf andere Personen oder Situationen Einfluss zu nehmen, sie zu kontrollieren oder zu dominieren. Es zielt auf das Gefühl der Stärke, Bedeutsamkeit und Überlegenheit.
  • Ausprägung:
    Im Kontext von Beziehungen zeigt sich dies im Streben nach einer Führungsrolle, nach Anerkennung der eigenen Autorität oder in der Wahl von Partnern, die leicht zu beeinflussen sind.

Leistungsmotiv (Achievement)

  • Definition:
    Das Bedürfnis, sich mit einem Tüchtigkeitsmaßstab auseinanderzusetzen, Herausforderungen zu meistern und sich kontinuierlich zu verbessern.
  • Beziehungskontext:
    Obwohl es primär auf Aufgaben bezogen ist, beeinflusst es Beziehungen, indem es beispielsweise die Qualität der Partnerschaft oder der gemeinsamen Projekte zu einem persönlichen Leistungsziel macht.

Beziehungsmotive in der Psychotherapie

In der klinischen Psychologie, insbesondere in der Klärungsorientierten Psychotherapie nach Rainer Sachse, werden detailliertere Motive betrachtet, deren Befriedigung oder Frustration die Beziehungsgestaltung und emotionale Schemata stark beeinflusst:

Anerkennung und Wertschätzung

  • Ziel:
    Von relevanten Bezugspersonen geliebt, gemocht, respektiert und für die eigene Person sowie die Leistung geschätzt zu werden.
  • Frustration:
    Führt zu Unsicherheit, geringem Selbstwertgefühl und der Angst, nicht akzeptabel zu sein.

Wichtigkeit und Bedeutung

  • Ziel:
    Im Leben eines Interaktionspartners eine bedeutende Rolle zu spielen, ernst genommen zu werden und Aufmerksamkeit sowie Zeit zu erhalten.
  • Frustration:
    Kann zu dem Gefühl führen, irrelevant oder austauschbar zu sein, und motiviert oft zu (unbewusstem) Drama oder Hilflosigkeit, um Beachtung zu erlangen.

Verlässlichkeit und Sicherheit

  • Ziel:
    Eine stabile, zeitüberdauernde und belastbare Beziehung zu haben, in der der Partner auch in Krisen da ist und man sich auf ihn verlassen kann.
  • Frustration:
    Schafft Unsicherheit und Angst vor Verlassenwerden.

Autonomie und Selbstbestimmung

  • Ziel:
    Die eigenen Entscheidungen treffen zu können, eigene Ziele zu verfolgen und das persönliche Leben selbst zu gestalten – auch innerhalb einer Partnerschaft.
  • Frustration:
    Führt zu dem Gefühl der Gefangenschaft oder Kontrolle und kann zu passivem Widerstand oder Rückzug motivieren.

Solidarität und Unterstützung

  • Ziel:
    Das Gefühl zu haben, dass der Partner bedingungslos auf der eigenen Seite steht, Unterstützung, Schutz und Hilfe gewährt, wenn sie benötigt werden.
  • Frustration:
    Führt zu Misstrauen, dem Gefühl, allein kämpfen zu müssen, und der Neigung, Beziehungen als kompetitiv oder feindselig zu erleben.

Diese Motive sind fundamental für die Bildung von Beziehungsschemata – inneren Erwartungen und Regeln darüber, wie Beziehungen funktionieren und was man von anderen erwarten kann. Die Frustration dieser Motive in der Kindheit kann zur Entwicklung dysfunktionaler Schemata führen, die das spätere Beziehungsverhalten stark negativ beeinflussen.

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