Binge-Eating-Störung
Die Binge-Eating-Störung (BES) ist eine ernste psychische Erkrankung, die zu den Essstörungen gehört und bei der die psychologischen Mechanismen Emotionsregulation, Kontrollverlust und Scham im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zur Bulimie fehlen die regelmäßigen, kompensatorischen Gegenmaßnahmen wie Erbrechen.
Psychologische Kernmerkmale der Binge-Eating-Störung
Die Störung wird psychologisch nicht primär durch Hunger oder Appetit getrieben, sondern durch emotionale und kognitive Prozesse:
Emotionsregulation durch Essen
Das Essen wird zur dysfunktionalen Bewältigungsstrategie von negativen Emotionen. Die Essattacken dienen als Ventil oder Betäubungsmittel für Gefühle wie:
- Stress, Angst und Wut
- Einsamkeit und Langeweile
- Traurigkeit und Frustration
Der Essanfall verschafft zunächst eine kurzfristige Erleichterung oder Ablenkung von der emotionalen Anspannung, die jedoch unmittelbar durch massive negative Gefühle abgelöst wird.
Kontrollverlust und Machtlosigkeit
Das zentrale Merkmal eines Binge-Anfalls ist das Gefühl des Kontrollverlusts. Betroffene erleben sich während der Attacke als unfähig, das Essen zu stoppen oder die Menge zu kontrollieren. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit verstärkt sich nach dem Anfall und kann auf andere Lebensbereiche übergreifen.
Teufelskreis: Scham, Schuld und Isolation
Der Essanfall wird von intensiven negativen Affekten begleitet, insbesondere:
- Scham:
Scham über die Menge, die Geschwindigkeit und das heimliche Essverhalten. - Schuld und Selbst-Ekel:
Starke Selbstvorwürfe nach dem Anfall. - Soziale Isolation:
Aus Scham versuchen Betroffene, die Essanfälle geheim zu halten und ziehen sich von sozialen Kontakten zurück, was die negativen Gefühle und damit die Auslöser für weitere Essanfälle verstärkt (Teufelskreis).
Niedriges Selbstwertgefühl und Körperunzufriedenheit
Wie bei anderen Essstörungen ist das Selbstwertgefühl oft stark beeinträchtigt. Obwohl die Überbewertung von Figur und Gewicht nicht so extrem ist wie bei der Anorexie, leiden viele Betroffene unter großer Unzufriedenheit mit ihrem Körper, insbesondere, wenn die Störung zu Übergewicht führt.
Psychische Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
Die Binge-Eating-Störung tritt häufig mit anderen psychischen Erkrankungen auf, was die Behandlung erschweren kann:
- Depressionen:
Häufigste Begleiterkrankung; Depressionen können die Essanfälle auslösen, und umgekehrt verstärken die Essanfälle die depressive Stimmung. - Angststörungen:
Insbesondere soziale Ängste oder generalisierte Angststörungen. - Persönlichkeitsstörungen und Substanzmissbrauch
kommen ebenfalls vermehrt vor.
Psychotherapeutische Behandlung (KVT)
Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) gilt als die Methode der Wahl in der psychologischen Behandlung der Binge-Eating-Störung:
- Psychoedukation und Verhaltensänderung:
Aufbau eines strukturierten und regelmäßigen Essverhaltens mithilfe von Essprotokollen, um den Wechsel von starker Restriktion und Essanfällen zu beenden. - Kognitive Umstrukturierung:
Identifizierung und Veränderung der dysfunktionalen Gedanken und Regeln über Essen, Gewicht und Körperbild. - Emotionale Kompetenz:
Erlernen alternativer Strategien zur Emotionsregulation (z. B. Entspannungsverfahren, Achtsamkeitsübungen), um auf negative Gefühle oder Stress nicht mehr mit Essen reagieren zu müssen. - Rückfallprävention:
Entwicklung von Bewältigungsplänen für Hochrisikosituationen und den Umgang mit Rückschlägen.
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