Bio-psycho-sozial-Modell
Das Bio-psycho-sozial-Modell ist ein umfassender wissenschaftlicher Ansatz, der die Gesundheit und Krankheit eines Menschen als das Ergebnis komplexer und sich gegenseitig beeinflussender Faktoren aus drei Hauptbereichen betrachtet: Biologie, Psychologie und Soziales.
Es wurde 1977 vom Psychiater George L. Engel als Gegenentwurf zum rein biomedizinischen Modell entwickelt.
Die Drei Dimensionen
Das Modell funktioniert nach dem Prinzip, dass keine dieser Ebenen isoliert betrachtet werden kann, um Gesundheit oder Krankheit vollständig zu verstehen.
1. Bio- (Biologische Faktoren)
Diese Dimension umfasst alle körperlichen und physiologischen Prozesse, die zur Gesundheit beitragen oder Krankheiten verursachen können.
| Aspekte | Beispiele |
| Körperliche Systeme | Genetische Veranlagung, Viren und Bakterien, Gehirnstruktur, Hormonhaushalt, Funktion des Immunsystems. |
| Körperreaktionen | Chronische Schmerzen, Entzündungen, Alterungsprozesse, Neurotransmitter-Aktivität. |
2. Psycho- (Psychologische Faktoren)
Diese Dimension beinhaltet die mentalen, emotionalen und verhaltensbezogenen Prozesse des Individuums.
| Aspekte | Beispiele |
| Kognition | Denkmuster, Überzeugungen, Interpretation von Symptomen, Einstellung zur Krankheit. |
| Emotion & Verhalten | Stressverarbeitung (Coping), Emotionale Belastbarkeit, Persönlichkeit, Ängste, Depressionen. |
3. Sozial- (Soziale und Umweltfaktoren)
Diese Dimension betrachtet den kulturellen, gesellschaftlichen und umweltbedingten Kontext, in dem ein Individuum lebt.
| Aspekte | Beispiele |
| Umwelt | Sozioökonomischer Status, Wohnsituation, Zugang zur Gesundheitsversorgung, Bildung. |
| Beziehungen | Familie und soziales Netzwerk, kulturelle Normen, Unterstützung durch die Gemeinschaft, Arbeitsplatzbedingungen, soziale Isolation. |
Klinische Relevanz
Das Hauptprinzip des Modells ist die Interaktion und Wechselwirkung. Eine biologische Störung kann psychologischen Stress auslösen, der wiederum soziale Probleme (z.B. Isolation) verursacht, was dann die biologische Genesung behindern kann.
Beispiel: Chronische Rückenschmerzen
- Bio:
Eine Bandscheibenverletzung. - Psycho:
Angst vor Bewegung (Vermeidungsverhalten), was zur Versteifung der Muskulatur beiträgt. - Sozial:
Arbeitsplatzverlust aufgrund der Schmerzen und die dadurch entstehende finanzielle Not und soziale Isolation.
Der Bio-psycho-soziale Ansatz erfordert daher eine ganzheitliche Behandlung, die nicht nur Medikamente (Bio) einbezieht, sondern auch Psychotherapie (Psycho) und Sozialarbeit (Sozial), um alle beitragenden Faktoren zu adressieren.
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