Demenz
Demenz ist ein Überbegriff für eine Reihe von Symptomen, deren Hauptmerkmal eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten (kognitive Funktionen) im Vergleich zum früheren Zustand ist, und die so schwerwiegend ist, dass sie das tägliche Leben beeinträchtigt.
Der Begriff leitet sich vom Lateinischen ab und bedeutet sinngemäß „weg vom Geist“ oder „ohne Geist“.
Wesentliche Merkmale und Symptome
- Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit:
Dazu gehören Störungen des Gedächtnisses (besonders des Kurzzeitgedächtnisses), der Sprache, des Denkvermögens, der Urteilsfähigkeit, der Orientierung (zeitlich und räumlich) und der Aufmerksamkeit. - Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten:
Die Fähigkeit, alltägliche Aufgaben selbstständig zu erledigen, nimmt ab. - Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens:
Häufig treten Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, sozialer Rückzug, Apathie, Angst oder Unruhe auf. - Fortschreitender Verlauf (progredient):
In der Regel verschlechtern sich die Symptome im Laufe der Zeit.
Ursachen und Formen
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen:
- Primären Demenzen (ca. 90% der Fälle):
- Ursache ist eine degenerative (fortschreitende) Erkrankung des Gehirns, bei der Nervenzellen absterben.
- Alzheimer-Krankheit (häufigste Form, ca. 60-70% aller Demenzen)
- Vaskuläre Demenz (gefäßbedingt, zweithäufigste Form, ca. 15-20%)
- Lewy-Körperchen-Demenz
- Frontotemporale Demenz (FTD)
- Diese Formen sind meist nicht heilbar, aber der Verlauf kann oft durch Behandlung verlangsamt werden.
- Sekundären Demenzen (ca. 10% der Fälle):
- Demenz-Symptome als Folge einer anderen Grunderkrankung (z.B. Vitaminmangel, Schilddrüsenfehlfunktion, chronischer Alkoholmissbrauch, bestimmte Vergiftungen).
- Diese Formen sind zum Teil heilbar (reversibel), wenn die Grunderkrankung rechtzeitig erkannt und behandelt wird.
Häufigkeit
Die Häufigkeit (Prävalenz) von Demenzerkrankungen ist sehr stark an das Alter geknüpft und steigt mit zunehmendem Lebensalter exponentiell an.
Die wichtigsten Zahlen und Fakten zur Häufigkeit von Demenz:
1. Deutschland
- Aktuelle Betroffenenzahl:
Nach aktuellen Schätzungen (Stand Ende 2023) leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. - Neuerkrankungen:
Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 400.000 Menschen neu an Demenz. Das entspricht etwa einer Neuerkrankung alle 1,5 Minuten. - Altersabhängigkeit (Prävalenz ab 65 Jahren):
Das Risiko steigt mit dem Alter stark an:- 65 bis 69 Jahre: ca. 1,3% der Altersgruppe
- 75 bis 79 Jahre: ca. 8,0% der Altersgruppe
- 90 Jahre und älter: ca. 40% der Altersgruppe
- Jüngere Betroffene:
Auch wenn es eine Krankheit des höheren Alters ist, sind über 100.000 Menschen in Deutschland jünger als 65 Jahre betroffen (sogenannte Frühdemenz). - Prognose:
Aufgrund des demografischen Wandels (steigender Anteil älterer Menschen) wird die Zahl der Betroffenen in Deutschland voraussichtlich weiter zunehmen. Schätzungen zufolge könnten es bis zum Jahr 2050 bis zu 2,7 Millionen Menschen sein, falls keine Durchbrüche in Prävention oder Behandlung erzielt werden.
2. Weltweit
- Aktuelle Betroffenenzahl:
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben derzeit weltweit mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz. - Prognose:
Ohne wesentliche Fortschritte in Therapie und Prävention wird erwartet, dass die Zahl der Demenzerkrankten aufgrund der steigenden Lebenserwartung stark zunimmt und bis 2050 voraussichtlich 139 Millionen erreichen könnte.
3. Häufigste Formen
Die Alzheimer-Krankheit ist mit 60 bis 70% aller Fälle die bei weitem häufigste Ursache einer Demenzerkrankung. Es folgen die vaskulären (gefäßbedingten) Demenzen.
Die Rolle der Psychotherapie bei Demenz
Demenz ist zwar nicht heilbar, aber die Psychotherapie spielt eine wichtige Rolle in der nicht-medikamentösen Behandlung und Betreuung. Sie konzentriert sich darauf, die Lebensqualität zu erhalten, vorhandene Fähigkeiten zu stabilisieren und psychische Begleitsymptome (wie Depressionen, Angst oder Aggressivität) zu lindern.
Psychotherapeutische Ansätze bei Demenz werden oft als psychosoziale Interventionen bezeichnet und sind individuell auf das Stadium der Erkrankung abgestimmt
Ziele der psychotherapeutischen Interventionen
Die Hauptziele der Psychotherapie bei Demenzkranken sind:
- Erhalt von Kompetenzen:
Längerfristige Erhaltung kognitiver, emotionaler und alltagspraktischer Fähigkeiten. - Stärkung des Selbstwertgefühls:
Unterstützung der Selbstidentität und des Selbstbildes, das durch die Krankheit bedroht ist. - Reduzierung von Belastungssymptomen:
Linderung von psychischen Störungen wie Angst, Depression, Unruhe oder Aggressivität. - Anpassung an Verluste:
Hilfe bei der Akzeptanz und Bewältigung der fortschreitenden kognitiven und funktionalen Verluste. - Förderung des Wohlbefindens:
Verbesserung der Stimmung und der allgemeinen Lebensqualität.
Wichtige psychotherapeutische Verfahren
Im Gegensatz zur klassischen Psychotherapie, die auf tiefgehenden Gesprächen basiert, werden bei Demenz modifizierte, aktivierende und ressourcenorientierte Methoden eingesetzt:
Methode | Beschreibung | Ziel |
Erinnerungstherapie (Reminiszenztherapie) | Gezieltes Anregen des Langzeitgedächtnisses durch Fotos, Musik oder vertraute Gegenstände aus der Biografie. | Stärkung der Identität, Verbesserung der Stimmung, geistige Anregung. |
Validation | Wertschätzende, empathische Kommunikation. Die Gefühlswelt und die (scheinbar falsche) Realität des Erkrankten wird akzeptiert und nicht korrigiert. | Abbau von Angst und Stress, Vermittlung von Sicherheit und Geborgenheit. |
Kognitive Stimulation/Training | Spielerische Übungen in Einzel- oder Gruppensettings, z. B. Wortspiele, Puzzles oder themengeleitete Gespräche über aktuelle und vergangene Ereignisse. | Erhaltung von Aufmerksamkeit, Kommunikation und Denkleistung (besonders im frühen und mittleren Stadium). |
Verhaltenstherapeutische Ansätze | Analyse und Management von „herausforderndem Verhalten“ (z. B. Unruhe, Umherwandern, Aggression) durch Identifizierung und Veränderung von Auslösern im Umfeld. | Reduzierung von Verhaltensauffälligkeiten, Steigerung der Selbstständigkeit. |
Kunst- & Musiktherapie | Nonverbale Methoden (Malen, Singen, Tanzen, Musikhören), da diese Bereiche des Gehirns oft länger erhalten bleiben. | Zugang zu Emotionen, Abbau von Ängsten und Aggressionen, positive Stimulation. |
Milieutherapie | Gestaltung der Umgebung (Räume, Tagesablauf, soziale Interaktion) nach den Bedürfnissen des Demenzkranken, um Orientierung und Sicherheit zu vermitteln. | Reduktion von Verwirrtheit und Unruhe, Förderung der Alltagskompetenz. |
Rolle des Psychologen und Psychotherapeuten
Psychologen und Psychotherapeuten spielen eine entscheidende Rolle bei:
- Diagnostik und Differentialdiagnostik (Ausschluss einer Depression).
- Entwicklung individueller Therapiepläne für den Demenzkranken.
- Schulung und Beratung der Angehörigen (Psychoedukation) zum besseren Verständnis und Umgang mit der Krankheit, um deren eigene Belastung zu mindern.
- Behandlung von begleitenden psychischen Störungen (z. B. Depressionen oder Angststörungen), die oft gleichzeitig mit der Demenz auftreten.