Einsamkeit
In der Psychologie wird Einsamkeit als ein subjektives, unangenehmes Gefühl definiert, das aus der wahrgenommenen Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen resultiert. Es ist wichtig, Einsamkeit vom Alleinsein zu unterscheiden, das eine selbst gewählte und oft positiv erlebte Phase sein kann, und von der sozialen Isolation, die den objektiv messbaren Mangel an sozialen Kontakten beschreibt.
Psychologisches Verständnis von Einsamkeit
Subjektivität und Schmerz
Einsamkeit wird als eine Form des „sozialen Schmerzes“ empfunden. Das Gehirn reagiert auf soziale Ausgrenzung oder den Mangel an Zugehörigkeit mit ähnlichen Mechanismen wie auf körperlichen Schmerz. Das Gefühl ist zutiefst individuell; man kann sich einsam fühlen, obwohl man objektiv viele Kontakte hat (z. B. in einer Partnerschaft oder in einem Team), wenn die Qualität der Beziehungen nicht den emotionalen Bedürfnissen entspricht.
Formen der Einsamkeit
Die Psychologie unterscheidet oft zwei Hauptformen der Einsamkeit nach den fehlenden Bedürfnissen:
- Emotionale (oder intime) Einsamkeit:
Resultiert aus dem Mangel an tiefen, vertrauensvollen Bindungen zu einer einzelnen Person (z. B. einem Partner, engen Freund oder Familienmitglied). Es fehlt eine Person, der man sich vollständig anvertrauen kann. - Soziale (oder relationale) Einsamkeit:
Resultiert aus dem Mangel an einem breiteren sozialen Netzwerk oder der Zugehörigkeit zu einer Gruppe (z. B. Freunde, Kollegen, Gemeinschaft). Es fehlt das Gefühl der Einbindung und Gemeinschaft.
Folgen und der Teufelskreis der Einsamkeit
Einsamkeit wird besonders problematisch, wenn sie chronisch wird und einen selbstverstärkenden Teufelskreis auslöst:
- Stressreaktion:
Chronische Einsamkeit ist ein starker psychosozialer Stressor. Sie führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen und einer dauerhaft erhöhten Vulnerabilität (Anfälligkeit) für Krankheiten. - Kognitive Verzerrungen:
Einsame Menschen neigen dazu, soziale Situationen negativer zu bewerten. Sie erwarten Ablehnung, interpretieren neutrale Signale oft als Kritik und ziehen sich vorschnell zurück. - Sozialer Rückzug:
Die Angst vor Ablehnung und die negativen Erwartungen führen zu Vermeidungsverhalten (z. B. Absagen von Einladungen, Vermeiden von Smalltalk). - Verstärkung der Isolation:
Der Rückzug bestätigt die negativen Erwartungen, reduziert die tatsächlichen sozialen Kontakte (objektive Isolation) und verstärkt das Gefühl der Einsamkeit.
Psychische und körperliche Folgen
Chronische Einsamkeit ist ein signifikanter Risikofaktor für:
- Depressionen und Angststörungen.
- Schlafstörungen und erhöhten Blutdruck.
- Ungesunde Verhaltensweisen (Rauchen, ungesunde Ernährung, mangelnde Selbstfürsorge).
- Ein erhöhtes Risiko für kardiologische und andere somatische Erkrankungen.
Psychotherapeutische Ansätze
In der Psychotherapie geht es darum, den Teufelskreis der Einsamkeit zu durchbrechen und die Selbstwirksamkeit des Klienten im sozialen Bereich zu erhöhen.
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT):
Fokussiert auf die Veränderung negativer Denkmuster (kognitive Verzerrungen) und die schrittweise Exposition gegenüber sozialen Situationen (Verhaltensaktivierung), um die soziale Kompetenz und das Vertrauen in soziale Interaktionen zu verbessern. - Stärkung der Selbstfürsorge:
Da Einsamkeit oft mit einem verminderten Selbstwertgefühl einhergeht, wird die Selbstakzeptanz und die bewusste Pflege der eigenen Bedürfnisse gefördert. - Training sozialer Kompetenzen:
Gezieltes Üben, wie man auf andere zugeht, Gespräche führt, Beziehungen aufbaut und pflegt. - Aufbau von Routine und Sinn:
Hilfe bei der Strukturierung des Alltags und der Suche nach sinnstiftenden Tätigkeiten (z. B. Ehrenamt oder Hobbys), die eine natürliche Gelegenheit zur Begegnung bieten.