Emotion-Stress-Modell

Das Emotion-Stress-Modell (auch bekannt als Kognitiv-Transaktionales Stressmodell nach Richard Lazarus und Susan Folkman, 1984) ist ein zentrales psychologisches Rahmenwerk zur Erklärung, wie Menschen auf potenziell stressige Ereignisse reagieren.

Es betont, dass Stress keine direkte Folge eines Ereignisses ist, sondern das Ergebnis der Interaktion (Transaktion) zwischen der Person und ihrer Umwelt, die durch kognitive Bewertungsprozesse vermittelt wird.

Kernprozesse: Kognitive Bewertung

Im Zentrum des Modells stehen die Bewertungsprozesse (Appraisals), die bestimmen, ob und wie stark ein Ereignis als Stressor erlebt wird.

1. Primäre Bewertung (Primary Appraisal)

Die Person bewertet, was das Ereignis für sie persönlich bedeutet. Sie klassifiziert das Ereignis in Bezug auf ihre eigenen Ziele und ihr Wohlbefinden:

  • Irrelevant:
    Das Ereignis hat keine Bedeutung für mich.
  • Positiv/Günstig:
    Das Ereignis ist vorteilhaft (z.B. eine neue Chance).
  • Stressrelevant:
    Das Ereignis wird als potenzieller Stressor eingestuft und kann weiter unterteilt werden in:

    • Herausforderung:
      Das Ereignis wird als schwierig, aber bewältigbar wahrgenommen (führt zu positiven Emotionen wie Aufregung, Neugier).
    • Bedrohung:
      Das Ereignis könnte schaden oder zukünftige Verluste verursachen (führt zu Angst).
    • Verlust/Schaden:
      Es ist bereits ein Schaden eingetreten (führt zu Trauer, Wut).

2. Sekundäre Bewertung (Secondary Appraisal)

Wenn ein Ereignis als stressrelevant bewertet wurde, folgt die sekundäre Bewertung. Hier bewertet die Person ihre eigenen Bewältigungsmöglichkeiten und Ressourcen (Coping-Optionen):

  • Frage:
    Was kann ich tun, um mit der Situation umzugehen?
  • Bewertung der Ressourcen:
    Verfüge ich über ausreichende Coping-Strategien, Zeit, Wissen, soziale Unterstützung oder finanzielle Mittel, um die Bedrohung oder Herausforderung zu meistern?

3. Neubewertung (Reappraisal)

Nach dem Einsatz von Coping-Strategien erfolgt eine ständige Neubewertung des Ereignisses und der Situation. Die Person passt ihre Wahrnehmung basierend auf dem Erfolg oder Misserfolg ihrer Coping-Bemühungen an.

Coping-Strategien (Bewältigungsstrategien)

Die Bewertung der Situation führt zur Auswahl und Anwendung von Bewältigungsstrategien (Coping). Lazarus und Folkman unterscheiden zwei Hauptformen:

A. Problemorientiertes Coping

Zielt darauf ab, die Ursache des Stresses zu verändern oder das Problem direkt zu lösen.

  • Beispiele: Informationen sammeln, einen Plan erstellen, direkte Handlungen zur Problemlösung.

B. Emotionsorientiertes Coping

Zielt darauf ab, die emotionale Reaktion auf den Stressor zu regulieren und zu lindern, wenn das Problem selbst nicht direkt lösbar ist.

  • Beispiele: Entspannungstechniken, Ablenkung, Suche nach emotionaler Unterstützung, positive Neubewertung (Reframing).

Der Zusammenhang mit Emotionen

Emotionen sind sowohl das Ergebnis als auch der Motor der Bewertungsprozesse:

Das Emotion-Stress-Modell ist daher ein dynamisches, transaktionales Modell und gilt als eines der wichtigsten Modelle der Gesundheitspsychologie.

« zurück zum Glossar-Index