Empathie

In der Psychologie ist Empathie die Fähigkeit, die Gefühle, Gedanken und Perspektiven einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und emotional nachzuvollziehen (Einfühlungsvermögen). Sie ist die Grundlage für erfolgreiche soziale Interaktion und prosoziales Verhalten (Hilfsbereitschaft).

Arten von Empathie

Empathie wird in der Regel in zwei Hauptkomponenten unterteilt:

Kognitive Empathie

Die rationale Komponente. Sie beschreibt die Fähigkeit, die Perspektive eines anderen Menschen einzunehmen und zu verstehen, was die Person denkt und warum sie fühlt, wie sie fühlt. Es ist ein intellektuelles Nachvollziehen („Ich verstehe, warum er wütend ist.„).

Affektive (oder Emotionale) Empathie

Die emotionale Komponente. Sie beschreibt die Fähigkeit, die Emotionen einer anderen Person nachzuempfinden oder zu teilen. Man fühlt, was der andere fühlt. Dies wird durch Prozesse wie Spiegelneuronen im Gehirn ermöglicht. Wichtig ist die Selbst-Andere-Differenzierung, d.h., man muss sich bewusst sein, dass die Emotion ihren Ursprung im Gegenüber hat und nicht die eigene ist.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

In der Alltagssprache werden die Begriffe oft vermischt, in der Psychologie werden sie jedoch klar unterschieden:

Begriff Psychologische Bedeutung
Empathie Das Verstehen und Nachfühlen des Zustands einer anderen Person. Der Fokus liegt auf der Fähigkeit des Einfühlens.
Mitgefühl (Compassion) Geht über die Empathie hinaus. Es ist das Gefühl der Fürsorge und der Wunsch, das Leiden des anderen aktiv zu lindern oder zu beenden.
Mitleid (Pity) Eine distanzierte Form der Sorge, oft mit einem Gefühl der Überlegenheit oder des Bedauerns verbunden. Es kann die Abgrenzung begünstigen und ist weniger hilfreich als Mitgefühl.
Emotionsansteckung Ein unbewusstes Übernehmen der Emotionen anderer ohne Perspektivwechsel. (Bsp.: Man wird nervös, nur weil eine Person im Raum nervös ist, ohne den Grund zu kennen.)

Funktion und Bedeutung

Empathie ist ein entscheidender Faktor für die soziale Intelligenz und hat zentrale Funktionen:

  • Sozialer Zusammenhalt:
    Sie fungiert als „sozialer Klebstoff“, der Bindungen festigt und Kooperation ermöglicht.
  • Kommunikation:
    Sie hilft, auf nonverbale Signale (Mimik, Gestik) angemessen zu reagieren und „zwischen den Zeilen“ zu lesen, was Missverständnisse reduziert.
  • Prosoziales Verhalten:
    Empathie (insbesondere in Verbindung mit Mitgefühl) motiviert zum Helfen und altruistischem Verhalten.
  • Therapie:
    In der Psychotherapie gilt die Empathie des Therapeuten gegenüber dem Klienten als einer der wirksamsten allgemeinen Faktoren für den Therapieerfolg (nach Carl Rogers).

Die Rolle der Empathie bei verschiedenen psychischen Störungen

Empathie oder ein Mangel daran spielen eine zentrale Rolle bei verschiedenen psychischen Störungen, insbesondere bei Persönlichkeitsstörungen und Entwicklungsstörungen. Die Defizite betreffen oft nicht nur die Fähigkeit, Gefühle zu verstehen, sondern auch die Fähigkeit, sie zu teilen oder darauf fürsorglich zu reagieren.

Hier sind die wichtigsten Störungen, bei denen Empathie eine entscheidende Rolle spielt:

Störungen mit primärem Empathiemangel (häufig verbunden mit Manipulation)

Bei diesen Störungen liegt der Fokus auf einem Defizit der affektiven Empathie (dem Mitfühlen), während die kognitive Empathie (das rationale Verstehen der Gefühle anderer) oft intakt oder sogar überdurchschnittlich ausgeprägt ist, was zu manipulativem Verhalten führen kann.

Antisoziale Persönlichkeitsstörung (Psychopathie/Soziopathie)

  • Empathie-Muster:
    Hochgradiger Mangel an affektiver Empathie. Betroffene können die Gefühle anderer intellektuell verstehen (kognitive Empathie), empfinden jedoch kein Mitgefühl, keine Reue oder Schuld für ihr Handeln.
  • Auswirkung:
    Dies ermöglicht rücksichtsloses, instrumentelles und oft kriminelles Verhalten, da sie den Schmerz des Opfers nicht nachempfinden.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS)

  • Empathie-Muster:
    Ausgeprägte Defizite in der affektiven Empathie. Narzisstische Personen sind primär auf die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse (Bestätigung, Bewunderung) fokussiert und haben Schwierigkeiten, die Gefühle anderer zu sehen, es sei denn, diese sind für ihre eigene Selbstwertregulation relevant.
  • Auswirkung:
    Die fehlende Fähigkeit, wirklich mit anderen mitzufühlen, führt zu Ausbeutung und einem Mangel an Rücksichtnahme in Beziehungen.

Störungen mit gestörter Empathie (häufig verbunden mit sozialer Interaktion)

Bei diesen Störungen sind die Schwierigkeiten in der Empathie eher auf die Art und Weise der Verarbeitung sozialer Informationen zurückzuführen.

Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

  • Empathie-Muster:
    Klassischerweise werden Defizite in der kognitiven Empathie (Theory of Mind) beschrieben, d. h. Schwierigkeiten, die Perspektive und die Absichten anderer intuitiv zu erkennen und zu deuten.
  • Wichtige Differenzierung:
    Die affektive Empathie (das Mitfühlen) ist jedoch oft vorhanden oder sogar sehr stark ausgeprägt, kann aber aufgrund der Schwierigkeiten in der kognitiven Verarbeitung und Kommunikation nicht angemessen ausgedrückt werden. Betroffene wirken daher manchmal fälschlicherweise unempathisch oder distanziert.

Schizoide Persönlichkeitsstörung

  • Empathie-Muster:
    Gekennzeichnet durch eine tiefgreifende emotionale Distanzierung und ein Desinteresse an sozialen Beziehungen. Es besteht ein Mangel an der Fähigkeit, Freude, Trauer oder Wut auszudrücken (reduzierte Affektäußerung), was das empathische Erleben und Reagieren erschwert.
  • Auswirkung:
    Die Betroffenen wirken auf andere kühl, distanziert und gleichgültig gegenüber Lob oder Kritik.

5. Schizophrenie

  • Empathie-Muster:
    Defizite in der sozialen Kognition sind ein Kernmerkmal. Betroffene haben oft Schwierigkeiten, die Emotionen und Intentionen anderer korrekt zu interpretieren und ihre eigenen Emotionen angemessen zu regulieren.
  • Auswirkung:
    Dies trägt zu sozialem Rückzug, Missverständnissen und dem Aufbau von Wahnvorstellungen (z. B. Verfolgungswahn) bei.

Störungen, bei denen zu viel Empathie problematisch ist

Es gibt auch Störungen, bei denen eine übermäßige oder schlecht regulierte Empathie zu Problemen führen kann, insbesondere in Form von Empathiestress (Burnout) oder einer Übernahme negativer Gefühle anderer.

6. Depression und Angststörungen

  • Empathie-Muster:
    Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit Depressionen oder Angststörungen möglicherweise eine überempfindliche Verarbeitung negativer Emotionen anderer zeigen.
  • Auswirkung:
    Eine zu starke affektive Empathie in Verbindung mit einer schlechten Emotionsregulation kann dazu führen, dass das Leiden anderer als überwältigend empfunden wird und zur Vermeidung sozialer Kontakte beiträgt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in der klinischen Psychologie wichtig ist, zwischen kognitiven (Verständnis-) und affektiven (Mitfühl-) Komponenten der Empathie zu unterscheiden, da diese bei den verschiedenen Störungen unterschiedlich betroffen sind.

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