Exploration
Die Exploration in der Psychotherapie ist ein zentraler, kontinuierlicher Prozess der Erforschung und Vertiefung der inneren und äußeren Welt des Klienten (Patienten).
Sie ist weit mehr als nur die anfängliche Anamnese und zieht sich durch die gesamte Therapie. Ziel ist es, ein umfassendes, vielschichtiges und dynamisches Verständnis für die Beschwerden, die Lebensgeschichte, die Denkmuster und die emotionalen Prozesse des Klienten zu gewinnen.
Ziele der Therapeutischen Exploration
Die Exploration dient dazu, die notwendige Basis für die therapeutische Arbeit zu schaffen und zu vertiefen:
- Verständnis der Symptome:
Die genaue Art, Intensität, Häufigkeit und die situativen Auslöser der Beschwerden werden erfasst. - Hintergründe aufdecken:
Zusammenhänge zwischen aktuellen Problemen und biografischen Erfahrungen oder frühen Bindungsmustern werden sichtbar gemacht. - Identifikation dysfunktionaler Muster:
Es werden maladaptive Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster identifiziert (z. B. negative Grundannahmen, Vermeidungsverhalten, dysfunktionale Bewältigungsstrategien). - Hypothesenbildung:
Der Therapeut entwickelt und überprüft Arbeitshypothesen über die Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung (Ätiologie und Pathogenese). - Ressourcen erkennen:
Stärken, Fähigkeiten und unterstützende soziale Kontakte des Klienten werden ermittelt, die für die Veränderungsarbeit genutzt werden können. - Indikationsstellung:
Die Ergebnisse der Exploration sind entscheidend für die Wahl des geeigneten Therapieverfahrens und die Festlegung der therapeutischen Ziele.
Methoden und Techniken der Exploration
Die Exploration nutzt verschiedene Techniken, die je nach Therapieschule variieren:
1. Aktives Zuhören und Nachfragen
- Offene Fragen:
Fördern ausführliche Antworten („Was genau ist in dieser Situation passiert?“, „Wie fühlen Sie sich dabei?“). - Geschlossene Fragen:
Dienen der Präzisierung von Fakten („Wie oft tritt das auf?“, „Haben Sie heute Morgen etwas gegessen?“). - Paraphrasieren und Verbalisieren:
Der Therapeut fasst zusammen oder benennt nicht ausgesprochene Gefühle, um Verständnis zu signalisieren (Validierung) und zu überprüfen, ob er richtig verstanden hat.
2. Spezifische Anamnese-Formen
- Funktionale Verhaltensanalyse (VT):
Eine detaillierte Analyse spezifischer Problem-Situationen (SORKC-Schema), um die Funktion eines Verhaltens zu verstehen. - Biografische Exploration (Tiefenpsychologie/Analyse):
Systematische Erfassung der Lebensgeschichte, kritischer Ereignisse, Beziehungserfahrungen und der Herkunftsfamilie. - Zirkuläres Fragen (Systemische Therapie):
Fragen, die nach den Wechselwirkungen zwischen Personen im System suchen („Was würde Ihr Partner dazu sagen?“, „Wie würde Ihre Mutter reagieren, wenn…“).
3. Projektive und Kreative Methoden
- Rollenspiele:
Um Konflikte oder schwierige Situationen im Hier und Jetzt zu erleben und zu explorieren. - Imaginationen:
Das gezielte Vorstellen von Situationen (z. B. schlimme oder hilfreiche Szenarien), um die emotionale Reaktion zu explorieren.
Exploration als Kreislauf
Im Gegensatz zur einmaligen medizinischen Anamnese ist die psychotherapeutische Exploration ein kontinuierlicher Prozess:
- Explorieren:
Informationen sammeln. - Hypothesen bilden:
Das Gesammelte interpretieren. - Intervenieren:
Eine therapeutische Technik anwenden. - Erfolg beobachten:
Die Reaktion des Klienten explorieren und die Hypothese anpassen.
Diese ständige Rückkopplung vertieft das Verständnis und gewährleistet, dass die Therapie individuell auf die komplexen Bedürfnisse des Klienten zugeschnitten bleibt.
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