Kognitivismus

Der Kognitivismus ist eine der zentralen Strömungen in der Psychologie, die in den 1950er Jahren als „kognitive Wende“ entstand und sich vom Behaviorismus abgrenzte.

Im Gegensatz zum Behaviorismus, der innere Vorgänge als „Black Box“ ignorierte, rücken im Kognitivismus die kognitiven Prozesse (lateinisch cognitio = Erkenntnis) in den Fokus der wissenschaftlichen Untersuchung.

Kernkonzepte des Kognitivismus

Der Kognitivismus sieht den Menschen als ein aktives, selbstgesteuertes und planendes Wesen, das seine Umwelt nicht nur reaktiv wahrnimmt, sondern bewusst verarbeitet.

Merkmal Erklärung
Fokus Kognitive Prozesse (Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Abruf von Informationen). Dazu gehören Denken, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache und Problemlösung.
Informationsverarbeitungsansatz Das menschliche Gehirn wird metaphorisch als informationsverarbeitendes System (ähnlich einem Computer) betrachtet, das Input (Reiz) verarbeitet und einen Output (Verhalten) erzeugt.
Lernen Lernen ist der Erwerb und die Umstrukturierung von Wissen und kognitiven Schemata (mentale Strukturen) im Gedächtnis. Es geht um Verständnis und Einsicht, nicht nur um Verhaltensänderung.
Menschenbild Der Mensch ist ein aktiver Problemlöser, der seine Entscheidungen auf der Grundlage interner mentaler Repräsentationen trifft.

Wichtige Kognitive Theorien

Der Kognitivismus umfasst mehrere bedeutende theoretische Ansätze, die sich auf unterschiedliche kognitive Aspekte konzentrieren:

1. Kognitive Entwicklungstheorie (Jean Piaget)

Piaget beschrieb, wie Kinder ihr Verständnis der Welt durch aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen (sensumotorisch, präoperational, konkret-operational, formal-operational) aufbauen und dabei ihr Wissen aktiv konstruieren. Zentral sind die Prozesse der Assimilation (Integration neuer Infos in bestehende Schemata) und Akkommodation (Anpassung der Schemata an neue Infos).

2. Lernen durch Einsicht (Gestaltpsychologie)

Vertreter wie Wolfgang Köhler zeigten, dass komplexes Problemlösen nicht durch Konditionierung, sondern durch ein plötzliches „Aha-Erlebnis“ geschieht. Hierbei wird die Problemsituation kognitiv umstrukturiert, um die Beziehungen zwischen den Elementen zu erkennen und eine Lösung zu finden.

3. Sozial-Kognitive Lerntheorie (Albert Bandura)

Banduras Theorie über das Lernen am Modell (Beobachtungslernen) ist kognitiv, weil sie vier mentale Prozesse einschließt, die zwischen Reiz und Reaktion liegen:

  1. Aufmerksamkeit
  2. Behalten (Speicherung im Gedächtnis)
  3. Reproduktion (Ausführung)
  4. Motivation (Erwartung von Belohnung/Bestrafung)

Bedeutung in der Psychologie

Der Kognitivismus ist heute das dominierende Paradigma in der akademischen Psychologie.

  • Kognitionspsychologie:
    Ein eigenes Teilgebiet, das die Forschung zu Gedächtnis, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Sprache vorantreibt.
  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT):
    Eine der wirksamsten Therapieformen, die davon ausgeht, dass psychische Probleme durch fehlerhafte kognitive Bewertungen (Denkfehler) von Situationen entstehen und durch deren Veränderung behoben werden können.
  • Pädagogik:
    Betonung von sinnvollem Lernen, bei dem neue Inhalte mit vorhandenem Wissen verknüpft werden, um tieferes Verständnis zu erzeugen.
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