Kommunikationsstörungen

Der psychologische Blick auf Kommunikationsstörungen ist sehr breit, beschäftigt sich aber hauptsächlich mit den internen (psychischen) und zwischenmenschlichen (interpersonellen) Ursachen von Missverständnissen und Konflikten.
Im Gegensatz zu medizinischen oder logopädischen Ansätzen, die sich oft auf organische oder sprachstrukturelle Defizite (wie Aphasie oder Stottern) konzentrieren, fokussiert die Psychologie auf folgende Bereiche:

Psychologische Störfaktoren in der Kommunikation

Psychologen untersuchen die individuellen psychischen Prozesse von Sender und Empfänger, die den Kommunikationsprozess stören können, z.B.:

  • Selektive Wahrnehmung:
    Der Empfänger filtert die Botschaft basierend auf seinen eigenen Erwartungen, Vorurteilen oder aktuellen Gefühlen und nimmt nur das wahr, was seine Überzeugungen bestätigt.
  • Emotionale Zustände:
    Stress, Angst (z. B. Redeangst), Wut oder tiefe Trauer können die klare Codierung der Nachricht (beim Sender) oder die vorurteilsfreie Decodierung (beim Empfänger) blockieren.
  • Projektion:
    Eigene unerwünschte Gefühle oder Motive werden unbewusst auf den Gesprächspartner projiziert, was zu Fehlinterpretationen der Botschaft führt („Er greift mich an, obwohl er nur eine sachliche Frage gestellt hat“).
  • Defensives Hören:
    Aussagen werden sofort als Angriff oder Kritik interpretiert, was eine Abwehrreaktion auslöst, anstatt aktiv zuzuhören.
  • Selbstfokussierung im Gespräch: 
    Bestimmte Probleme oder Störungen (wie z.B. geringer Selbstwert oder auch Persönlichkeitsstörungen) können zu starker Selbstfokussierung im Gespräch führen, wobei die Perspektive des anderen ignoriert wird.

Psychologische Kommunikationsmodelle

Die Psychologie bietet verschiedene Modelle, um Störungen in der Interaktion zu analysieren. Die bekanntesten sind:

ModellFokus der StörungBeispiel für eine Störung
4-Ohren-Modell (Schulz von Thun)Die vier Seiten einer Nachricht (Sache, Selbstoffenbarung, Beziehung, Appell) werden vom Empfänger einseitig interpretiert.Der Satz: „Der Kaffee ist leer.“ wird nur mit dem Beziehungsohr gehört und als Vorwurf („Du bist zu faul, neuen zu kochen!“) verstanden.
5 Axiome (Paul Watzlawick)Verletzungen grundlegender Kommunikationsregeln.Axiom 2: Inhalts- und Beziehungsaspekt: Konflikte auf der Beziehungsebene werden auf der Sachebene ausgetragen. Oder: Eine digitale (verbale) Botschaft widerspricht der analogen (nonverbalen) Botschaft. (Z. B. „Ich bin nicht sauer!“ mit verschränkten Armen und wütendem Blick).
Eis­berg­modellDer Großteil der Kommunikation (Beziehung, Gefühle, Werte) liegt unter der Oberfläche (unbewusst) und führt zu Konflikten, wenn man sich nur auf die sichtbare Sachebene konzentriert.Zwei Kollegen streiten über Details eines Projekts (Sachebene), obwohl das eigentliche Problem ein ungelöster Konkurrenzkampf (Beziehungsebene) ist.

Psychologische Auswirkungen von Kommunikationsstörungen

Langfristige oder schwerwiegende Kommunikationsprobleme können erhebliche psychische Folgen haben:

  • Beziehungsstörungen und Konflikte:
    Chronische Missverständnisse und Frustration führen zu emotionaler Distanz oder zur Eskalation von Konflikten in Beziehungen (Familie, Partnerschaft, Beruf).
  • Angst und sozialer Rückzug:
    Die Angst, missverstanden zu werden oder die eigenen Gedanken nicht ausdrücken zu können, kann zu erhöhtem Stress, Angstzuständen und der Vermeidung sozialer Situationen führen.
  • Gefühl der Isolation:
    Betroffene fühlen sich oft nicht gehört oder falsch verstanden, was ein Gefühl der Einsamkeit und Isolation auslösen kann.

Psychologische Interventionen

Die Psychologie bietet im Rahmen von Therapie und Coaching Strategien zur Bewältigung von Kommunikationsstörungen:

  • Metakommunikation:
    Das Gespräch über die Art und Weise der Kommunikation selbst.
  • Aktives Zuhören:
    Gezieltes Training, um dem Gegenüber volle Aufmerksamkeit zu schenken und das Gehörte zusammenzufassen.
  • Ich-Botschaften:
    Erlernen, eigene Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken („Ich fühle mich überfordert…“) anstatt den Partner zu beschuldigen („Du forderst zu viel…“).
  • Paartherapie / Kommunikationstraining:
    Gezielte Arbeit an festgefahrenen Kommunikationsmustern die zu Beziehungskonflikten und Beziehungsstörungen führen können.

Psychologische Anwendungsbereiche

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