Konfliktvermeidung

Konfliktvermeidung (Conflict Avoidance) beschreibt in der Psychologie eine Bewältigungsstrategie (Coping-Strategie), bei der eine Person Situationen, Themen oder Interaktionen bewusst oder unbewusst umgeht, die das Potenzial haben, einen Konflikt auszulösen oder zu eskalieren.

Obwohl das Vermeiden eines unnötigen Streits kurzfristig entlastend wirken kann, gilt chronische Konfliktvermeidung meist als eine dysfunktionale (ungesunde) Strategie, insbesondere in engen Beziehungen.

Merkmale und Formen der Konfliktvermeidung

Konfliktvermeidung ist nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit zur Deeskalation oder konstruktiver Kompromissbereitschaft. Sie zeichnet sich durch die komplette Verweigerung der Auseinandersetzung aus.

  • Verhalten:
    • Themenwechsel:
      Das Gespräch wird schnell auf ein neutrales Thema umgelenkt.
    • Zustimmung/Anpassung:
      Die eigene Meinung wird aufgegeben oder gar nicht erst geäußert, um Harmonie zu wahren (oft als Appeasement bezeichnet).
    • Rückzug/Räumliche Flucht:
      Die Person verlässt den Raum oder beendet abrupt die Kommunikation.
    • Schweigen/Ignorieren:
      Die Konfliktsituation wird „ausgesessen“ oder der Konfliktpartner wird ignoriert.
  • Motiv (Ursache):
    Die primäre Angst ist die Angst vor den negativen Konsequenzen des Konflikts:

Psychologische Ursachen

Konfliktvermeidung ist oft tief in frühkindlichen Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmalen verwurzelt:

Dysfunktionale Folgen (Kosten der Vermeidung)

Obwohl Konfliktvermeidung kurzfristig die Angst reduziert, entstehen langfristig erhebliche psychische und relationale Kosten:

  • Aufrechterhaltung des Problems:
    Die eigentlichen Probleme werden nicht gelöst, sondern sammeln sich an und schwelen. Der Konfliktpartner fühlt sich möglicherweise ignoriert oder nicht ernst genommen.
  • Entfremdung in Beziehungen:
    Beziehungen sterben ab, da Authentizität fehlt. Unausgesprochene Bedürfnisse und Groll (Ressentiments) führen zu emotionaler Distanz.
  • Passiv-aggressives Verhalten:
    Da die Aggression nicht direkt ausgedrückt werden darf, äußert sie sich oft indirekt (z.B. durch Sarkasmus, Vergesslichkeit, ständige Verspätungen).
  • Körperliche Symptome:
    Die unterdrückte Anspannung kann zu psychosomatischen Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen, Verspannungen) führen.

Therapeutische Interventionen

In der Psychotherapie (häufig KVT, Schematherapie oder Paartherapie) wird daran gearbeitet, von der Vermeidung hin zu einer konstruktiven Konfliktlösung zu gelangen.

  1. Kognitive Umstrukturierung:
    Die negativen Grundannahmen über Konflikte werden hinterfragt („Was passiert wirklich, wenn ich meine Meinung äußere?“).
  2. Exposition und Verhaltensübung:
    Der Patient wird schrittweise (in Rollenspielen oder Hausaufgaben) dazu angeleitet, Assertionstechniken zu üben (das klare, angemessene Äußern eigener Bedürfnisse und Grenzen).
  3. Emotionsregulation:
    Arbeit daran, die Angst vor Wut und die Fähigkeit zur Regulierung starker Emotionen zu verbessern.
  4. Schemaarbeit:
    Identifizierung und Heilung von Schemata wie Unterwerfung oder Emotionaler Gehemmtheit, die die Vermeidung steuern.
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