Krisenintervention

Die Krisenintervention ist eine Akutmaßnahme in der psychologischen und psychiatrischen Versorgung. Sie zielt darauf ab, Menschen in einer akuten psychischen oder psychosozialen Krise schnell und unmittelbar zu stabilisieren, um eine Chronifizierung der Symptome und die Gefahr von Selbst- oder Fremdgefährdung zu verhindern.

Ziele der Krisenintervention

Im Gegensatz zu einer regulären Psychotherapie, die auf tiefgreifende Persönlichkeitsveränderungen abzielt, verfolgt die Krisenintervention kurzfristige, pragmatische Ziele:

  • Stabilisierung:
    Die akute emotionale Belastung und die Verwirrung reduzieren.
  • Sicherheit gewährleisten:
    Eine Gefährdung des Klienten (Suizidalität) oder anderer (Aggression) abwenden.
  • Entlastung:
    Raum für die Emotionen schaffen und die akute Not des Betroffenen lindern.
  • Ressourcen aktivieren:
    Dem Klienten helfen, seine vorhandenen Bewältigungsstrategien und sein soziales Netzwerk wieder zu nutzen.
  • Erschließung von Hilfe:
    Den Weg zu einer weiterführenden Behandlung (z.B. Langzeittherapie, stationäre Behandlung) bahnen.

Der Ablauf: Phasen der Intervention

Obwohl Krisen individuell sind, folgt die Intervention oft einem strukturierten, kurzen Prozess:

Phase Fokus und Vorgehen
1. Aufbau der Beziehung (Kontakt) Rapport herstellen: Vertrauen aufbauen, Ruhe und Akzeptanz vermitteln. Aktives Zuhören und Empathie zeigen, die Situation des Betroffenen wertfrei annehmen.
2. Problemdefinition und Situationsklärung Sicherheit abklären: Liegt eine akute Selbst– oder Fremdgefährdung vor? Das auslösende Ereignis und die aktuelle Not beschreiben lassen. Die Situation strukturieren, da Betroffene oft im Chaos stecken.
3. Ressourcenaktivierung und Alternativen erarbeiten Stärken und Bewältigungsstrategien: Welche früheren Krisen wurden gemeistert? Welche Stärken hat der Klient? Alternativen zum jetzigen Verhalten (z.B. Suizid) erarbeiten und neue Perspektiven aufzeigen.
4. Konkretisierung und Handlungsplanung Konkreter Notfallplan: Was soll der Betroffene in den nächsten Stunden und Tagen tun? Wen kann er anrufen? Welche Schritte führen zur nächsten Hilfe? Einbindung des sozialen Netzwerks (wenn möglich).
5. Weiterleitung und Nachsorge Vermittlung von weiterführender Hilfe: Organisation einer Langzeittherapie, Termin bei einem Facharzt oder einer Beratungsstelle. Nach Abschluss prüfen, ob die Stabilisierung anhält.

Anwendungsbereiche und Settings

Krisenintervention ist nicht an ein spezielles Setting gebunden, wird aber oft in folgenden Bereichen durchgeführt:

  • Telefonseelsorge und Krisenhotlines:
    Niederschwellige, anonyme Hilfe.
  • Psychiatrische Notaufnahmen/Kliniken:
    Bei akuter Suizidalität oder psychotischen Schüben.
  • Psychosoziale Beratungsstellen:
    Bei Trennung, Trauer oder Arbeitsplatzverlust.
  • Einsätze nach Großschadensereignissen:
    Betreuung von Opfern, Angehörigen oder Ersthelfern (Psychosoziale Notfallversorgung).
  • Ambulante Psychotherapiepraxen:
    Bei akuten Krisen zwischen regulären Sitzungen.

Besonderheit: Suizidale Krise

Die Intervention bei Suizidalität hat höchste Priorität und folgt einem klaren Vorgehen:

  1. Direkte Ansprache:
    Offen nach Suizidgedanken und -plänen fragen („Denken Sie daran, sich das Leben zu nehmen?“).
  2. Einschätzung der Akutheit:
    Pläne, Mittel und Zeitfenster erfragen, um die Gefährdung einzuschätzen.
  3. No-Suicide-Contract (Sicherungsvereinbarung):
    Eine schriftliche oder mündliche Vereinbarung treffen, dass der Klient sich verpflichtet, vor einer Handlung Kontakt aufzunehmen.
  4. Einweisung/Notruf:
    Bei hoher Akutheit (konkrete Pläne, verfügbare Mittel) muss die sofortige Einweisung in eine Klinik oder die Alarmierung des Notarztes erfolgen.
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