Kritisches Lebensereignis

Ein kritisches Lebensereignis (oder Critical Life Event) bezeichnet in der Psychologie ein einschneidendes, belastendes Ereignis, das die bisherige Lebenssituation eines Menschen deutlich verändert, die psychische und soziale Stabilität erschüttert und eine bedeutsame Anpassungsleistung erfordert.
Diese Ereignisse können potenziell eine Krise auslösen, die das Risiko für die Entwicklung psychischer oder körperlicher Erkrankungen erhöht.

Wesentliche Merkmale

Kritische Lebensereignisse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie:

  • Unerwartet eintreten (oder zumindest nicht planbar sind) und die betroffene Person unvorbereitet treffen.
  • Ein hohes Maß an Veränderung mit sich bringen und die bewährten Bewältigungsstrategien (Coping) der Person übersteigen können.
  • Oft mit Verlusterfahrungen (von Menschen, Gesundheit, Status oder Sicherheit) verbunden sind.
  • Starke, oft negative Emotionen (Angst, Wut, Trauer, Hilflosigkeit) auslösen.
  • Das Weltbild oder die Grundüberzeugungen der Person (z. B. „Die Welt ist sicher“ oder „Ich habe mein Leben im Griff“) erschüttern.

Arten und Beispiele

Man unterscheidet grob zwischen zwei Hauptkategorien, wobei die Grenzen oft fließend sind:

1. Nicht-normative kritische Lebensereignisse (Unerwartet)

Diese Ereignisse sind nicht altersabhängig und stellen eine unvorhersehbare Katastrophe oder einen tiefen Verlust dar. Sie wirken oft als Stressoren, die im Kontext des Vulnerabilitäts-Stress-Modells eine psychische Störung auslösen können, zum Beispiel:

  • Verlust
    Tod eines nahen Angehörigen (Partner, Kind), Scheidung/Trennung, Verlust des Arbeitsplatzes.
  • Trauma
    Unfall, Opfer eines Verbrechens (Überfall, Vergewaltigung), Kriegserlebnisse, Naturkatastrophen.
  • Gesundheit
    Schwere eigene Erkrankung oder Behinderung, lebensbedrohliche Diagnose, schwere Krankheit eines nahen Angehörigen.
  • Soziales
    Haftstrafe, Verlust des sozialen Status, erzwungener Wohnortwechsel (Migration).

2. Normative Lebensereignisse (Erwartet)

Dies sind Übergänge im Lebenslauf, die im Prinzip erwartet werden, aber dennoch eine Krise auslösen können, da sie große Anpassungsleistungen und einen Rollenwechsel erfordern, zum Beispiel:

  • Heirat oder Geburt eines Kindes
  • Auszug der Kinder aus dem Elternhaus (Empty-Nest-Syndrom)
  • Beginn oder Ende der Berufstätigkeit (Eintritt in den Ruhestand)
  • Schul- oder Studienabschluss
  • Ein Wohnortwechsel in ein fremdes Land

Wichtig: Ein Ereignis ist dann „kritisch“, wenn die individuelle Bewertung und die daraus resultierende Belastung die Ressourcen der Person übersteigen. Für eine Person kann eine Hochzeit ein freudiges Ereignis sein, für eine andere, die sich überfordert fühlt, ein kritisches Lebensereignis.

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