Lebenskrisen
Lebenskrisen bezeichnen in der Psychologie in der Regel einen einschneidenden Zustand, in dem ein Mensch mit Ereignissen oder Lebensumständen konfrontiert ist, die seine üblichen Bewältigungsstrategien übersteigen und das bisherige Leben fundamental in Frage stellen.
Definition und Merkmale
- Definition:
Eine Lebenskrise ist ein Wendepunkt (vom griechischen „krínein“ = trennen, entscheiden) und eine psychische Ausnahmesituation, die mit einer erheblichen Belastung und dem Verlust der gewohnten Orientierung einhergeht. Sie kann als Reaktion auf ein kritisches oder belastendes Lebensereignis (Stressful Life Event) verstanden werden. - Auslöser (Beispiele):
- Verlustereignisse:
- Tod eines nahestehenden Menschen,
- Trennung/Scheidung,
- Verlust des Arbeitsplatzes.
- Veränderungen:
- Schwere Erkrankung,
- Unfall, Umzug,
- berufliche Versetzung,
- Pensionierung.
- Entwicklungskrisen:
- Midlife-Crisis,
- Quarterlife-Crisis,
- Geburt eines Kindes,
- Auszug der Kinder.
- „Nicht-Ereignisse“:
- Unerfüllte Kinderlosigkeit,
- ausbleibende Beförderung.
- Verlustereignisse:
- Symptome:
Die Symptome können psychischer und körperlicher Natur sein und ähneln oft denen einer Anpassungsstörung oder Depression:- Psychisch:
- Körperlich:
- Schlafstörungen,
- Erschöpfung,
- Magen-Darm-Beschwerden,
- Konzentrationsprobleme.
Abgrenzung zu kritischen Lebensereignissen
Während in der Psychologie die Begriffe Lebenskrise und kritisches Lebensereignis oft im Zusammenhang verwendet werden, bezeichnen sie jedoch unterschiedliche Aspekte eines Prozesses, bei dem die Lebenskrise meist der Folgezustand kritischer Lebensereignisse ist.
| Begriff | Fokus | Beschreibung |
| Kritisches Lebensereignis (Critical Life Event) | Das auslösende Moment/Ereignis | Ein objektives oder subjektiv als tiefgreifend empfundenes Ereignis, das die gewohnte Lebenssituation und das Gleichgewicht einer Person erschüttert und eine Anpassungsleistung erfordert. |
| Lebenskrise | Der innere Zustand/Prozess | Der Folgezustand des Ereignisses, bei dem die Bewältigungsfähigkeiten der Person überfordert sind. Es ist der Prozess des emotionalen und kognitiven Ungleichgewichts, der durch das Ereignis ausgelöst wird. |
Phasen der Krisenbewältigung
Obwohl es in der Psychologie unterschiedliche Modelle der Krisenbewältigung gibt, wird oft ein vierstufiger Prozess beschrieben:
- Phase des Schocks / Nicht-Wahrhaben-Wollens (Verleugnung):
Die Realität des Ereignisses wird zunächst verdrängt oder geleugnet. Betäubung, inneres Chaos. - Phase der Reaktion / Aufbrechenden Emotionen:
Die Realität dringt ins Bewusstsein. Es kommt zu intensiven, oft chaotischen Gefühlen wie Wut, Angst, Verzweiflung, Kontrollverlust. - Phase der Bearbeitung / Akzeptanz:
Die Situation wird langsam akzeptiert. Es beginnt die Suche nach Lösungen, die Auseinandersetzung mit den Verlusten und die Trennung vom Vergangenen. - Phase der Neuorientierung:
Die Krise wird in die Lebensgeschichte integriert. Neue Ziele, Perspektiven und ein neues Selbst– und Weltbild werden entwickelt. Im besten Fall führt die Krise zu persönlichem Wachstum (posttraumatisches Wachstum/Resilienz).
Psychologische Sichtweise:
Psychologisch gesehen sind Krisen ein natürlicher, wenn auch schmerzhafter Bestandteil der menschlichen Entwicklung. Sie bergen das Potenzial für tiefgreifende positive Veränderungen (Transformation) und können zur Stärkung der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) führen. Wenn die Bewältigung aus eigener Kraft nicht gelingt und die Symptome längere Zeit anhalten, kann professionelle Hilfe (psychologische Beratung oder Psychotherapie) notwendig sein.
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