Medikamentenmissbrauch

Der Medikamentenmissbrauch und die daraus resultierende Abhängigkeit stellen aus psychologischer Sicht eine komplexe Störung dar, die tief in den individuellen Bewältigungsstrategien, emotionalen Zuständen und der Hirnchemie verwurzelt ist.

Aus psychologischer Perspektive betrachtet man die Ursachen, psychischen Symptome, Begleiterkrankungen und die Therapie dieses Suchtverhaltens.

Psychologische Ursachen und Risikofaktoren

Medikamentenmissbrauch entsteht selten durch einen einzigen Faktor, sondern durch ein biopsychosoziales Wechselspiel von persönlichen, sozialen und biologischen Risiken.

1. Bewältigung negativer psychischer Zustände

Das häufigste Motiv ist der Wunsch, negative psychische Symptome schnell zu beseitigen oder zu lindern. Das Medikament wird zur primären, dysfunktionalen Bewältigungsstrategie.

  • Schlafstörungen und Ängste:
    Benzodiazepine („Benzos“) und Z-Drugs (Schlafmittel) werden eingenommen, um innere Unruhe, Angstzustände oder Schlaflosigkeit zu beenden.
  • Depression und Schmerzen:
    Opioide oder bestimmte Schmerzmittel werden nicht nur gegen körperlichen Schmerz, sondern auch wegen ihrer stimmungsaufhellenden oder beruhigenden Nebenwirkungen eingenommen.

2. Psychologische Risikofaktoren

  • Vorerkrankungen:
    Oft bestehen bereits Angststörungen, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen (komorbide Störungen), die ursprünglich zur Verschreibung der Medikamente führten.
  • Stress und Überforderung:
    Mangelnde Problemlösekompetenz und geringe Frustrationstoleranz können dazu führen, dass Medikamente als schnelle Lösung bei Leistungsdruck und Überforderung eingesetzt werden.
  • Genetische Prädisposition:
    Eine generelle Anfälligkeit für Suchterkrankungen kann vererbt sein.
  • Mangelndes Selbstwertgefühl:
    Medikamente können zur kurzfristigen Leistungssteigerung oder zur Stärkung des Selbstwertgefühls verwendet werden.

Psychische Folgen der Abhängigkeit

Die anfänglich zur Linderung eingenommenen Medikamente führen langfristig zu einer Verschlimmerung der psychischen Probleme.

  • Verlust der Kontrolle:
    Ein unbezwingbares Verlangen (Craving) nach dem Medikament und der Verlust der Kontrolle über Beginn, Menge und Beendigung des Konsums sind Kernsymptome.
  • Emotionale Verflachung:
    Betroffene erleben oft Interessenlosigkeit, Abgestumpftheit und eine Verflachung der Gefühle (Anhedonie).
  • Persönlichkeitsveränderungen:
    Langanhaltender Missbrauch kann zu Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen und einer Änderung der Persönlichkeit führen.
  • Sozialer Rückzug:
    Aus Scham und Verleugnung isolieren sich Suchtkranke zunehmend, vernachlässigen Beruf, Familie und Freunde.

Therapie und Behandlung

Die psychologische Behandlung ist ein zentraler Pfeiler der Therapie.

  1. Entzugsphase (Qualifizierter Entzug):
    Erfolgt meist stationär und unter ärztlicher Aufsicht. Hier steht die körperliche Stabilisierung und die Linderung der psychischen und körperlichen Entzugserscheinungen im Vordergrund (wie z.B. Unruhe, Angst, Schlafstörungen, Depression).
  2. Psychotherapie (Entwöhnung):
    Ist der Schlüssel zur langfristigen Abstinenz. Hier kommen zum Einsatz:

  3. Behandlung von Komorbiditäten:
    Gleichzeitige Behandlung von Depressionen, Angststörungen oder Schmerzsyndromen, die den Medikamentenmissbrauch befeuert haben.

 

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