Paranoia
Paranoia (von griechisch pará „neben“ und nous „Verstand“) bezeichnet in der Psychologie und Psychiatrie eine grundlegende Störung des Denkens und der Interpretation der Realität. Sie ist gekennzeichnet durch ein tiefes, unbegründetes Misstrauen und die hartnäckige Überzeugung, dass man verfolgt, benachteiligt, ausgebeutet oder absichtlich geschädigt wird.
Paranoia ist nicht gleichbedeutend mit Schizophrenie, kann aber ein zentrales Symptom verschiedener psychischer Störungen sein.
Das Spektrum der Paranoia
Paranoide Überzeugungen existieren auf einem Kontinuum, das von leichten Misstrauensgefühlen bis hin zu einem vollständigen Realitätsverlust reicht.
| Ausprägung | Beschreibung | Klinische Relevanz |
| Paranoide Ideen | Geringe Ausprägung von Misstrauen, das durch Logik korrigierbar ist. Die Person kann noch akzeptieren, dass ihre Angst irrational sein könnte. | Alltagsmisstrauen, Stressreaktion. |
| Paranoide Vorstellungen | Stärkere Überzeugung, die aber nicht die Intensität eines Wahns erreicht. Zweifel sind noch möglich. | Typisch bei der Paranoiden Persönlichkeitsstörung und in akuten Stresszuständen. |
| Wahn (Delusion) | Unkorrigierbare, falsche Überzeugung, die von der allgemeinen Kultur nicht geteilt wird. Die Person hält diese Überzeugung trotz eindeutiger gegenteiliger Beweise für absolut wahr. | Kernsymptom bei Schizophrenie, Wahnhafter Störung oder schweren affektiven Störungen (z.B. manische Psychose). |
Psychologische Mechanismen
Die Paranoia entsteht aus einer Kombination von Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern:
- Attributionsfehler:
Paranoide Personen neigen dazu, neutrale oder zufällige Ereignisse als persönlich relevant und als absichtliche Handlungen anderer zu interpretieren (z.B. „Die lachen über mich“ oder „Der Stau wurde absichtlich gelegt, um mich aufzuhalten“). - Hypervigilanz:
Die Person befindet sich in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit und sucht aktiv in der Umwelt nach Beweisen, die ihre Misstrauenshypothese bestätigen (Bestätigungsfehler). - Projektion:
Eigene als unerträglich empfundene negative Gefühle oder Impulse (z.B. Wut, Aggression) werden unbewusst auf andere projiziert, wodurch die Umwelt als feindselig wahrgenommen wird.
Klinische Störungsbilder mit Paranoia
Paranoia ist ein Hauptmerkmal folgender Diagnosen:
| Störung | Kern der Paranoia | Realitätsbezug |
| Paranoide Persönlichkeitsstörung | Chronisches, tief sitzendes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen. Sie sind oft unversöhnlich bei Kränkungen. | Der Realitätsbezug ist erhalten (kein Wahn). |
| Schizophrenie (Paranoide Form) | Verfolgungswahn (Gefühl, überwacht, vergiftet oder verfolgt zu werden) oder Beziehungswahn (neutrale Ereignisse beziehen sich auf die eigene Person). | Der Wahn ist unkorrigierbar (Verlust des Realitätsbezugs). |
| Wahnhafte Störung | Der Wahn ist das einzige oder zentrale psychopathologische Symptom, oft thematisch begrenzt (z.B. der Glaube, der Partner sei untreu). | Abgesehen vom Wahn ist das Denken oft intakt. |
| Drogeninduzierte Psychose | Akute paranoide Zustände ausgelöst durch Substanzen (z.B. Amphetamine, Kokain, Cannabis in hoher Dosis). | Vorübergehender Realitätsverlust. |
Therapeutische Herausforderung
Die Behandlung ist herausfordernd, da das Misstrauen des Klienten direkt auf den Therapeuten übertragen werden kann.
- Vertrauensaufbau:
Die Therapie muss äußerst vorsichtig beginnen und erfordert einen langen Zeitraum, um eine stabile und sichere therapeutische Allianz aufzubauen. - KVT:
Kognitive Techniken können helfen, die Attributionsmuster und die katastrophisierenden Interpretationen zu hinterfragen, ohne den Wahn direkt zu konfrontieren (was die Abwehr nur verstärken würde). - Medikamente:
Bei wahnhafter oder psychotischer Ausprägung sind Antipsychotika zur Reduktion der paranoiden Symptome notwendig.