Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörungen (PS) sind in der Psychologie und Psychiatrie definierte psychische Störungen, die durch überdauernde, unflexible und tiefgreifende Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens gekennzeichnet sind. Diese Muster weichen deutlich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung ab und führen zu erheblichem Leiden oder Funktionsbeeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Lebensbereichen, sowohl für den Betroffenen, als auch für sein Umfeld.
Das Verhalten muss stabil sein und bis in die Adoleszenz oder das frühe Erwachsenenalter zurückverfolgt werden können.
Persönlichkeitsstörungen werden in der Psychologie und Psychotherapie häufig als primäre Beziehungs– und Interaktionsstörungen aufgefasst. Dieser Blickwinkel betrachtet die maladaptiven Muster nicht nur als intrapsychische Probleme, sondern vor allem als starre, unflexible und dysfunktionale Strategien im Umgang mit anderen Menschen und zur Befriedigung zwischenmenschlicher Motive.
Definition und Kernmerkmale
Die gängigen Klassifikationssysteme (DSM-5 und ICD-10/11) definieren eine Persönlichkeitsstörung anhand folgender Bereiche, in denen eine deutliche Abweichung vorliegen muss (mindestens zwei Bereiche betroffen):
- Kognition (Wahrnehmung und Interpretation von sich selbst, anderen und Ereignissen).
- Affektivität (Intensität, Labilität, Bandbreite und Angemessenheit emotionaler Reaktionen).
- Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen (Interpersonelles Verhalten).
- Impulskontrolle.
Zentrale Kennzeichen:
- Unflexibilität und Starrheit:
Die Person reagiert in vielen Situationen unflexibel und wenig angepasst. - Tiefgreifend:
Das Muster betrifft viele Bereiche des Lebens. - Leidensdruck/Beeinträchtigung:
Es führt zu subjektivem Leiden oder Problemen im sozialen Umfeld.
Klassifikation nach Clustern (DSM-5)
Zur Vereinfachung der Diagnostik und des Verständnisses werden Persönlichkeitsstörungen häufig in drei Hauptgruppen, sogenannte Cluster, eingeteilt, basierend auf ähnlichen Merkmalen.
Cluster A: Sonderbar, Exzentrisch
Diese Störungen sind durch ein Verhalten gekennzeichnet, das oft als seltsam, distanziert oder misstrauisch wahrgenommen wird und Ähnlichkeiten mit psychotischen Störungen aufweist (ohne jedoch eine manifeste Psychose zu sein).
| Störung | Kernmerkmale |
| Paranoide PS | Übermäßiges Misstrauen, Argwohn, Neigung, harmlose Äußerungen als feindselig zu interpretieren. |
| Schizoide PS | Desinteresse an sozialen Beziehungen, emotionale Kühle, Zurückgezogenheit, keine Freude an Aktivitäten. |
| Schizotypische PS | Exzentrisches Verhalten, sonderbare Gedanken, magischem Denken nahestehende Überzeugungen, soziale Ängste. |
Cluster B: Dramatisch, Emotional, Impulsiv
Diese Störungen sind durch Instabilität in Stimmung und Beziehungen, Impulsivität und häufig dramatisches Verhalten gekennzeichnet.
| Störung | Kernmerkmale |
| Borderline PS (Emotional instabile PS) | Instabilität im Selbstbild, in Beziehungen und Affekten; Impulsivität; starke Angst vor dem Verlassenwerden; oft selbstverletzendes Verhalten. |
| Narzisstische PS | Grandiosität, starkes Bedürfnis nach Bewunderung, Mangel an Empathie, Anspruchsdenken. |
| Histrionische PS | Übermäßige Emotionalität und ständige Suche nach Aufmerksamkeit; theatralisches, oft suggestives Verhalten. |
| Dissoziale PS (Antisoziale PS) | Missachtung und Verletzung der Rechte anderer; Mangel an Empathie, Schuld- und Verantwortungsgefühl; Impulsivität; Neigung zu aggressivem Verhalten. |
Cluster C: Ängstlich, Furchtsam (Anxious, Fearful)
Diese Störungen sind von einem hohen Maß an Angst, Furchtsamkeit und Unsicherheit geprägt.
| Störung | Kernmerkmale |
| Ängstlich-vermeidende PS | Soziale Gehemmtheit, Gefühl der Unzulänglichkeit, Überempfindlichkeit gegenüber Kritik; Vermeidung von sozialen Kontakten. |
| Dependente PS (Abhängige PS) | Übermäßiges Bedürfnis, umsorgt zu werden, was zu unterwürfigem und klammerndem Verhalten führt; Angst, allein gelassen zu werden. |
| Zwanghafte PS (Anankastische PS) | Übermäßige Beschäftigung mit Ordnung, Perfektionismus und Kontrolle, auf Kosten von Flexibilität, Effizienz und Offenheit. |
Ursachen und Behandlung
Ursachen
Die Entstehung von Persönlichkeitsstörungen ist multikausal. Man geht von einem komplexen Zusammenspiel aus:
- Genetische Prädisposition:
erhöhte Verletzlichkeit oder Temperament. - Psychosoziale Faktoren
traumatische oder emotional vernachlässigende Kindheitserfahrungen, dysfunktionale Bindungsmuster. - Neurobiologische Faktoren
z. B. Dysregulation von Neurotransmittern oder Affektkontrollzentren.
Behandlung
Die Therapie von Persönlichkeitsstörungen erfolgt primär durch Psychotherapie. Da die Verhaltensmuster tief verwurzelt sind, sind oft langfristige und intensive Behandlungen notwendig.
Vor dem Hintergrund Persönlichkeitsstörungen primär als Beziehungs– und Interaktionsstörungen zu verstehen, ist das Ziel, dem Klienten den Zugang zu seinen ursprünglichen Motiven und eine korrigierende emotionale Erfahrung zu ermöglichen, sowie die Interaktionsmuster so zu verändern, dass eine flexible und befriedigende Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen möglich wird.
- Klärungsorientierte Psychotherapie (KOP):
Die KOP ist eine hochwirksame Therapieform bei PS und bietet einen integrativen und störungsspezifischen Ansatz für verschiedene Persönlichkeitsstörungen. Ihr Focus liegt auf der Klärung , Explizierung und Veränderung dysfunktionaler Schemata mittels einer komplementären Beziehungsgestaltung seitens des Therapeuten. - Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)und Schematherapie:
Fokus auf die Identifizierung und Veränderung dysfunktionaler Schemata (tief verwurzelter Überzeugungen) und Bewältigungsstrategien. - Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT):
Speziell für die Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt, fokussiert auf emotionale Regulierung, Stresstoleranz und Achtsamkeit. - Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP):
Eine psychodynamische Therapieform, die sich auf die Instabilität der Beziehungen und des Selbstbildes konzentriert. - Medikamente:
(Meist Antidepressiva) Können zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Depression, Angst oder Impulsivität eingesetzt werden, heilen jedoch die Persönlichkeitsstörung selbst nicht.
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