Problemlösen

Problemlösen (Problem Solving) ist ein Forschungsfeld der Kognitiven Psychologie. Es bezeichnet den komplexen Denkprozess, der darauf abzielt, einen Ausgangszustand (Problem) in einen gewünschten Zielzustand zu überführen, wenn der Weg dorthin nicht sofort ersichtlich ist.

Problemlösen ist somit ein zielgerichteter Prozess, bei dem mentale Operationen und kognitive Strategien eingesetzt werden, um Hindernisse zu überwinden.

Definition eines Problems

Ein Problem liegt psychologisch vor, wenn drei Komponenten gegeben sind:

  1. Ausgangszustand (Ist-Zustand):
    Die aktuelle Situation, die als unbefriedigend empfunden wird.
  2. Zielzustand (Soll-Zustand):
    Die gewünschte Situation oder Lösung.
  3. Hindernis:
    Der Weg vom Ist- zum Soll-Zustand ist blockiert, und die zur Lösung notwendigen Schritte sind nicht sofort bekannt.

Probleme können nach ihrer Struktur unterschieden werden:

  • Gut definierte Probleme:
    Zielzustand und alle erlaubten Schritte sind klar definiert (z.B. Schach, mathematische Gleichungen).
  • Schlecht definierte Probleme:
    Zielzustand und/oder die erlaubten Schritte sind vage und müssen erst selbst definiert werden (z.B. „Wie werde ich glücklicher?“, „Wie schreibe ich einen guten Roman?“).

Die Phasen des Problemlösens

Nach dem klassischen Modell durchläuft der Prozess idealtypisch folgende Schritte:

  1. Präparation (Vorbereitung):
    Analyse des Problems, Sammeln relevanter Informationen und Verständnis der Ausgangslage.
  2. Produktion (Lösungsversuche):
    Generierung von Lösungsstrategien und Testen von Hypothesen.
  3. Inkubation (Pause):
    Eine bewusste Pause vom Problem, währenddessen die unbewusste Verarbeitung (Brüten) stattfindet. Dies kann zu unerwarteten Lösungen führen.
  4. Evaluation (Bewertung):
    Überprüfung der gefundenen Lösung auf ihre Wirksamkeit und Angemessenheit.

Strategien (Heuristiken)

Menschen nutzen kognitive Abkürzungen (Heuristiken), um schnell zu Lösungen zu gelangen:

Strategie Beschreibung Anwendungsbereich
Mittel-Ziel-Analyse Das Hauptziel wird in kleinere, leichter zu erreichende Unterziele zerlegt. Man versucht, die Diskrepanz zwischen Ist- und Soll-Zustand für jedes Unterziel zu reduzieren. Häufig bei komplexen Aufgaben oder Planungen (z.B. Uni-Abschluss, große Projekte).
Rückwärtsarbeiten Man beginnt beim gewünschten Zielzustand und arbeitet sich Schritt für Schritt zum Ausgangszustand zurück. Gut bei Problemen mit klarem Endpunkt (z.B. Labyrinthe, chemische Synthesen).
Trial-and-Error Systematisches oder unsystematisches Ausprobieren von Lösungen, bis eine funktioniert. Nützlich bei unbekannten Problemen mit wenigen möglichen Lösungen.
Einsicht (Insight) Die plötzliche Erkenntnis der Lösung, oft nach einer Phase der Inkubation („Aha-Erlebnis“). Typisch für schlecht definierte oder blockierte Probleme.
Algorithmus Eine strikte, schrittweise Vorgehensweise, die garantiert zur Lösung führt, wenn das Problem lösbar ist (z.B. ein Kochrezept, eine mathematische Formel). Nur bei gut definierten Problemen anwendbar.

Kognitive Hindernisse

Die Effektivität des Problemlösens wird oft durch mentale „Blockaden“ eingeschränkt:

  • Funktionale Fixierung:
    Die Tendenz, die Funktion eines Objekts nur auf seine gewohnte Rolle zu beschränken und seine Eignung für eine andere Aufgabe zu ignorieren (z.B. einen Hammer nur als Schlagwerkzeug und nicht als Briefbeschwerer zu sehen).
  • Mentales Set (Einstellung):
    Die unbewusste Bevorzugung einer Lösungsstrategie, die in der Vergangenheit erfolgreich war, selbst wenn sie für das aktuelle Problem ungeeignet ist. Man versucht, das neue Problem in ein altes Schema zu pressen.
  • Irrelevante Informationen:
    Die Schwierigkeit, unwichtige von entscheidenden Informationen zu trennen, was die kognitive Belastung unnötig erhöht.

Klinische Anwendung

Die Problemlösetherapie (Problem-Solving Therapy, PST) ist eine etablierte Intervention innerhalb der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Ziel ist es, Klienten mit Depressionen, Angststörungen oder chronischem Stress zu helfen, indem sie lernen, ihre Alltagsprobleme systematisch und konstruktiv anzugehen.

Die Schritte der PST sind typischerweise:

  1. Problemdefinition:
    Das Problem klar und spezifisch formulieren.
  2. Zielformulierung:
    Das gewünschte Ergebnis festlegen.
  3. Ideengenerierung (Brainstorming):
    So viele Lösungsideen wie möglich sammeln.
  4. Entscheidungsfindung:
    Die Vor- und Nachteile der besten Lösungen abwägen und eine auswählen.
  5. Implementierung und Evaluation:
    Die Lösung umsetzen und das Ergebnis überprüfen.
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