Regression
Die Regression (lateinisch regredi = zurückgehen), als ein von Sigmund Freud geprägter Begriff, beschreibt aus psychodynamischer Sicht primär einen unbewussten Abwehrmechanismus des Individuums, um mit aktuellen Konflikten, Frustrationen oder Ängsten fertigzuwerden, die die aktuelle Reifestufe überfordern. Dabei kommt es (nach Freud) zum Zurückfallen in eine frühere, unreifere Entwicklungsstufe des Verhaltens, Denkens und Fühlens.
In der modernen Psychologie, insbesondere in der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und den Neuro- und Emotionswissenschaften, wird der Begriff Regression weniger als ein psychoanalytischer Abwehrmechanismus, sondern vielmehr als ein Phänomen der Emotionsregulation und Stressreaktion betrachtet.
Obwohl der psychodynamische Ursprung weiterhin anerkannt ist, liegt der Fokus heute auf den sichtbaren Verhaltensmustern und deren Funktion.
Kognitiv-Behaviorale und Klinische Sicht
In der KVT und der allgemeinen klinischen Psychologie wird Regression primär als Rückfall in maladaptive, früh erworbene Bewältigungsstrategien oder eine Reduktion der kognitiven Kompetenz unter Stress verstanden.
- Stressreaktion:
Unter massivem Stress, Überforderung oder Trauma sind die kognitiven Ressourcen (z.B. der präfrontale Kortex) überlastet. Dies führt dazu, dass die Person auf automatische, früher erlernte und emotional einfachere (primitive) Reaktionsmuster zurückgreift, weil die komplexeren, reifen Coping-Strategien nicht mehr zugänglich sind. - Maladaptive Coping-Strategie:
Die Regression ist eine dysfunktionale Reaktion, die kurzfristig zur Spannungsreduktion dient, aber langfristig das Problem nicht löst. - Bezug zur Entwicklung:
Das Auftreten regressiver Muster (z.B. selbstverletzendes Verhalten, Wutanfälle bei Erwachsenen) wird oft als Hinweis darauf interpretiert, dass die Emotionsregulation oder Impulskontrolle in der frühen Entwicklung nicht ausreichend gefestigt wurde.
Funktionale Regression in der Psychotraumatologie
Ein wichtiges Konzept in der modernen klinischen Anwendung ist die funktionale Regression im Kontext von Trauma oder schwerem Stress.
- Dissoziation:
Extreme Stresszustände können zu dissoziativen Phänomenen führen, die als eine Form der Regression interpretiert werden können. Die Person spaltet die Erfahrung ab und kehrt in einen Zustand der Unreagibilität oder des kindlichen Empfindens zurück, um sich vor überwältigenden Emotionen zu schützen. - Behandlung:
In der Psychotherapie (insbesondere in der Traumatherapie) wird eine kontrollierte, begrenzte Regression als notwendig erachtet. Patienten müssen in einem sicheren Rahmen emotionale Zustände aus der Vergangenheit oder dem Trauma wiedererleben (Regression im Dienst des Ichs), um sie anschließend korrigierend und emotional zu verarbeiten.
Integration in der Therapie
Moderne Therapien nutzen das Konzept der Regression nicht nur zur Diagnose, sondern auch für die Therapieplanung:
- Verstärkerpläne:
Die KVT analysiert, wie regressives Verhalten (z.B. Rückzug) durch das Umfeld negativ verstärkt wird (z.B. durch Entlastung von Pflichten), was das Verhalten aufrechterhält. - DBT und Skills:
Verfahren wie die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) bei Borderline-Patienten konzentrieren sich darauf, Skills zur Emotionsregulation zu vermitteln, um den Patienten einen funktionalen Ersatz für die regressiven, oft autoaggressiven Reaktionen zu geben.
Zusammenfassend ist die Regression in der modernen Psychologie eine Beobachtung des Zurückfallens in einfachere, stressbedingte Verhaltensmuster, die eine klare therapeutische Intervention zur Stärkung der aktuellen Coping-Fähigkeiten erfordert.
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