Scham
In der Psychologie ist Scham eine tiefgreifende und oft schmerzhafte soziale Emotion, die mit einem negativen Urteil über das gesamte Selbst einhergeht.
Es ist das Gefühl, fehlerhaft, unzulänglich oder defekt zu sein und deshalb aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.
Merkmale und Funktion von Scham
Definition
Scham entsteht, wenn das ideale Selbstbild (wie man sein möchte) nicht mit dem realen Selbst (wie man sich gerade erlebt) übereinstimmt, insbesondere im Angesicht anderer oder in der Vorstellung, wie andere einen sehen könnten.
Typische Reaktionen
Scham ist intensiv und geht oft mit körperlichen Reaktionen einher:
- Wunsch zu „versinken“ oder „unsichtbar zu werden“
- Vermeidung von Blickkontakt (Blick senken oder abwenden)
- Erröten (vegetative Reaktion)
- Rückzug und Isolation
Funktion
Obwohl Scham schmerzhaft ist, hat sie eine wichtige soziale und entwicklungspsychologische Funktion:
- Soziale Anpassung:
Sie signalisiert uns, dass wir gegen eine soziale Norm verstoßen haben oder Gefahr laufen, abgelehnt zu werden. Sie dient als Regulierungsfaktor in der Sozialisation. - Schutz der Intimsphäre:
Scham schützt die persönlichen Grenzen und die Privatheit.
Der Unterschied zwischen Scham und Schuld
Scham und Schuld werden oft verwechselt, sind psychologisch aber klar voneinander zu trennen:
Merkmal | Scham (Shame) | Schuld (Guilt) |
Fokus | Das gesamte Selbst (Ich bin schlecht/fehlerhaft). | Die Handlung (Ich habe etwas Schlechtes getan). |
Gefühl | Unzulänglichkeit, Wertlosigkeit, Defektsein. | Reue, Bedauern, Gewissensbisse. |
Konsequenz | Rückzug, Isolation, Wunsch zu fliehen/sich zu verstecken. | Wiedergutmachung, Entschuldigung, Reparatur der Beziehung. |
Auswirkung | Kann destruktiv sein und zu psychischen Problemen führen. | Führt eher zu konstruktivem, moralischem Handeln. |
Beispiel:
- Scham: „Ich bin ein Versager, weil ich die Prüfung nicht bestanden habe.“
- Schuld: „Ich habe schlecht gelernt, das war mein Fehler, ich muss mich beim nächsten Mal besser vorbereiten.“
Toxische Scham
Wenn Scham chronisch wird und sich tief in die Identität eingräbt, spricht man von toxischer Scham. Sie entsteht oft durch wiederholte negative Erfahrungen in der Kindheit (Beschämung, Vernachlässigung, Missbrauch). Toxische Scham ist nicht adaptiv, sondern führt zu chronischen Gefühlen der Wertlosigkeit und steht in engem Zusammenhang mit psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen, Sucht und Essstörungen.
Der Umgang mit Scham in der Psychotherapie zielt darauf ab, die negative Selbstbewertung aufzulösen und die Scham in ein konstruktives Schuldgefühl zu verwandeln.
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