Sicherheit
Sicherheit ist in der Psychologie ein universelles Grundbedürfnis und ein zentrales Konzept in verschiedenen Bereichen, von der Motivationspsychologie bis zur Traumatherapie. Sie umfasst sowohl die physische (körperliche Unversehrtheit) als auch die psychische (emotionale Stabilität und Vorhersagbarkeit) Unversehrtheit.
Sicherheit als Grundbedürfnis
Das Bedürfnis nach Sicherheit ist ein primärer menschlicher Antrieb. Seine Erfüllung ist die Voraussetzung für die Beschäftigung mit höheren Bedürfnissen.
1. Maslows Bedürfnispyramide
Nach Abraham Maslow gehört das Bedürfnis nach Sicherheit zur zweiten Ebene seiner Hierarchie (direkt über den physiologischen Grundbedürfnissen wie Nahrung und Schlaf). Es umfasst:
- Körperliche Sicherheit:
Schutz vor Gewalt, Unfall und Krankheit. - Ökonomische Sicherheit:
Stabilität des Arbeitsplatzes, finanzielle Absicherung. - Stabilität und Ordnung:
Vorhersagbarkeit der Umwelt, Schutz vor Chaos, Gesetze und Regeln.
2. Bindungstheorie (John Bowlby)
In der Bindungstheorie wird Sicherheit als elementar für die gesunde Entwicklung angesehen.
- Sichere Basis:
Eine sichere Bindung entsteht, wenn die primäre Bezugsperson eine „sichere Basis“ bietet – eine Quelle des Trostes und Schutzes, zu der das Kind bei Gefahr zurückkehren kann. - Die Erfahrung, dass Bindungspersonen zuverlässig Schutz und Trost bieten, ermöglicht es dem Kind, die Welt zu erkunden und Selbstwirksamkeit zu entwickeln.
3. Konsistenztheorie (Klaus Grawe)
Obwohl nicht explizit „Sicherheit“ genannt, wird das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle als zentral angesehen, da es die Vorhersagbarkeit der Umwelt und das Gefühl der Kontrolle über die eigenen Lebensumstände sichert – beides Kernkomponenten der psychischen Sicherheit.
Psychische Sicherheit
Psychische Sicherheit geht über die Abwesenheit physischer Bedrohung hinaus und bezieht sich auf den Zustand des inneren Gleichgewichts und der emotionalen Stabilität.
- Vorhersagbarkeit (Kognitive Sicherheit):
Die Gewissheit, dass die Welt (und die Menschen in ihr) logisch und nachvollziehbar funktionieren. - Emotionale Sicherheit:
Die Freiheit, Gefühle auszudrücken und Risiken einzugehen, ohne Angst vor Bloßstellung, Bestrafung oder Ablehnung.
Klinische Relevanz (Trauma und Therapie)
In der klinischen Psychologie, insbesondere in der Traumatherapie, ist die Wiederherstellung eines Gefühls der Sicherheit der erste und wichtigste Behandlungsschritt.
- Stabilisierung:
Patienten, die ein Trauma erlitten haben, erleben oft einen Verlust des grundlegenden Sicherheitsgefühls und leben in einem Zustand der Hyperarousal (ständige Alarmbereitschaft). - Behandlung:
Die erste Phase der Traumaverarbeitung dient der Stabilisierung. Hier wird versucht, das Gefühl der inneren und äußeren Sicherheit wiederherzustellen (z. B. durch Skills, Psychoedukation und Aufbau von Ressourcen), bevor die eigentliche Traumakonfrontation beginnen kann. - Sicherer Ort:
Die therapeutische Beziehung selbst muss ein sicherer Rahmen sein, in dem Vertrauen und Vorhersagbarkeit herrschen.