Sicherheitsverhalten

Das Sicherheitsverhalten (oder „Sicherheit suchendes Verhalten“) ist ein zentrales Konzept in der Psychologie, insbesondere in der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), und spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung von Angststörungen.

Definition und Funktion

Sicherheitsverhalten sind alle Handlungen oder Vermeidungsstrategien, die eine Person in einer angstauslösenden Situation bewusst oder unbewusst einsetzt, um die befürchtete negative Konsequenz zu verhindern, zu minimieren oder um mit der Angstreaktion selbst umzugehen.

  • Kurzfristige Funktion:
    Es dient der Angstreduktion und vermittelt der Person ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit.
  • Langfristige Dysfunktion:
    Obwohl es kurzfristig entlastet, ist Sicherheitsverhalten dysfunktional, da es die chronische Angst und die zugrunde liegende Überzeugung, dass die Situation gefährlich ist, aufrechterhält.

Der Teufelskreis der Angst

Sicherheitsverhalten verhindert die wichtige Erfahrung, die die Angst eigentlich abbauen würde: die sogenannte Erwartungsverletzung (Diskonfirmation).

Phase Beschreibung
1. Negative Erwartung Die Person erwartet eine Katastrophe (z.B. „Ich werde in Ohnmacht fallen“ oder „Jeder wird sehen, wie unsicher ich bin“).
2. Sicherheitsverhalten Die Person führt eine schützende Handlung durch (z.B. sie hält sich an einer Wand fest oder spricht nur leise).
3. Kurzfristige Entlastung Die befürchtete Katastrophe tritt nicht ein, die Angst lässt nach.
4. Falsche Attribution Die Person schreibt das Ausbleiben der Katastrophe fälschlicherweise dem Sicherheitsverhalten zu („Ich bin nicht in Ohnmacht gefallen, weil ich mich festgehalten habe“).
5. Aufrechterhaltung Die zugrunde liegende negative Erwartung wird nicht korrigiert, sondern verstärkt („Das nächste Mal muss ich mich wieder festhalten!“).

Dieses Muster hält den Teufelskreis der Angst aufrecht, da die Person nie lernt, dass die Situation auch ohne Schutzmaßnahmen ungefährlich ist.

Beispiele für Sicherheitsverhalten

Sicherheitsverhalten kann subtil sein und ist oft spezifisch für die Art der Angststörung:

Angststörung Beispiel für befürchtete Katastrophe Typisches Sicherheitsverhalten
Soziale Phobie „Ich werde mich blamieren und dumm wirken.“ Vermeidung von Blickkontakt, leises Sprechen, ständiges Überprüfen des eigenen Verhaltens, Mitnahme einer Begleitperson.
Panikstörung „Ich erleide einen Herzinfarkt oder falle in Ohnmacht.“ Mitführen von Medikamenten oder Wasserflaschen, Überprüfen des Pulses, schnelles Verlassen von Orten, Hyperventilieren („vorsorgliches“ Atmen).
Agoraphobie „Ich bekomme keine Hilfe, wenn ich sie brauche.“ Sichere Plätze aufsuchen (z.B. nahe des Ausgangs sitzen), nur zu bestimmten Uhrzeiten das Haus verlassen.
Zwangsstörung „Wenn ich die Tür nicht 5-mal abschließe, wird eingebrochen.“ Exzessive Kontrollrituale, Reinigung über das notwendige Maß hinaus.

Therapeutische Bedeutung

In der KVT und bei Verhaltensexperimenten ist der gezielte Abbau des Sicherheitsverhaltens ein Hauptziel. Die Patienten werden angeleitet, sich der angstauslösenden Situation ohne ihre gewohnten Schutzmaßnahmen zu stellen, um die Erfahrung zu machen, dass die befürchtete negative Konsequenz nicht eintritt. Dies führt zur Korrektur der dysfunktionalen Kognitionen.

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