Sinnerleben
Der Sinn (oder das Sinnerleben) ist in der Psychologie ein fundamentaler Aspekt des menschlichen Erlebens. Er beschreibt das subjektive Gefühl, dass das eigene Leben, die eigenen Handlungen und Erfahrungen bedeutungsvoll, wertvoll und zielgerichtet sind.
Das Sinnerleben ist ein zentrales Thema der Humanistischen Psychologie und der Existenzpsychologie und gilt als wichtiger Schutzfaktor für die psychische Gesundheit.
Definition und Bedeutung
In der Psychologie umfasst der Begriff „Sinn“ drei Hauptkomponenten:
- Bedeutung (Coherence):
Die Fähigkeit, das Leben, die Vergangenheit und die Erfahrungen als zusammenhängend und verstehbar zu empfinden. - Zielgerichtetheit (Purpose):
Das Gefühl, dass das Leben auf Ziele ausgerichtet ist, die über das eigene Wohlbefinden hinausgehen. - Wichtigkeit/Wert (Matter):
Die Überzeugung, dass das eigene Leben einen Wert hat und einen Unterschied in der Welt macht.
Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie (einer Form der Existenzanalyse), postulierte, dass das Streben nach Sinn (Wille zum Sinn) die primäre Motivation des Menschen sei.
Die Sinnfindung (Logotherapie nach Frankl)
Frankl sah die Sinnfindung als eine zentrale Aufgabe des Menschen. Man findet den Sinn nicht, man entdeckt oder verwirklicht ihn. Er identifizierte drei Hauptwege zur Sinnverwirklichung:
- Schöpferischer Wert:
Durch Taten, Werke und Leistungen (z.B. Arbeit, Kunst, kreatives Engagement). - Erlebniswert:
Durch die Erfahrung von Werten, insbesondere der Liebe, und der Schönheit (z.B. Naturerlebnisse, tiefgehende zwischenmenschliche Begegnungen). - Einstellungswert:
Durch die Haltung, die man gegenüber unveränderlichen Schicksalsschlägen (z.B. Krankheit, Tod, Leid) einnimmt. Die Fähigkeit, trotz oder gerade wegen des Leidens einen Sinn zu finden.
Sinn als Schutzfaktor (Resilienz)
Zahlreiche Studien belegen die zentrale Bedeutung des Sinnerlebens für die psychische Gesundheit:
- Resilienz:
Ein starkes Sinnerleben erhöht die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress und traumatischen Ereignissen. Wer einen Sinn im Leben sieht, ist besser gegen das Risiko einer Depression oder Angststörung gewappnet. - Motivation:
Der Sinn wirkt als Antrieb und hilft, auch schwierige Phasen zu überwinden (siehe Frankls Erfahrungen im Konzentrationslager: Wer einen Sinn sah, hatte eine höhere Überlebenschance). - Reduktion von Ängsten:
Ein tiefes Sinnerleben kann helfen, die existentielle Angst vor dem Tod oder der Isolation zu mildern.
Sinnkrisen hingegen, bei denen das Gefühl für Bedeutung und Zweck verloren geht, sind häufige Begleiterscheinungen von Depressionen, Burnout oder kritischen Lebensübergängen. In der Psychotherapie kann die gezielte Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Zielen ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der psychischen Gesundheit sein.
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