Somatisierung
In der Psychologie bezeichnet Somatisierung einen Prozess, bei dem psychische oder emotionale Belastungen (wie Stress, Angst, oder unverarbeitete Konflikte) in körperliche Symptome umgewandelt und ausgedrückt werden, ohne dass dafür eine ausreichende organische oder physiologische Erklärung gefunden werden kann.
Die Somatisierung ist somit ein Mechanismus, bei dem der Körper zum „Ausdrucksmittel“ für die Seele wird, wenn die sprachliche oder emotionale Verarbeitung fehlt oder blockiert ist.
Psychologische Mechanismen
Die psychologischen Modelle erklären Somatisierung als eine fehlerhafte oder maladaptive (unangepasste) Form der Emotionsregulation und Stressbewältigung.
Alexithymie (Der zentrale Faktor)
Das wichtigste Konzept im Zusammenhang mit Somatisierung ist die Alexithymie („keine Worte für Gefühle“).
- Defizit:
Betroffene sind nicht in der Lage, ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen, zu identifizieren und sprachlich zu benennen. Sie erleben seelisches Leid nicht als Angst oder Trauer, sondern als diffuse körperliche Spannung oder Schmerz. - Folge:
Da die Emotionen nicht kognitiv verarbeitet werden können, werden sie zwangsläufig über den Körper ausgedrückt.
Kognitive Verzerrungen
- Katastrophisierung:
Normale oder geringfügige körperliche Empfindungen (z.B. Herzklopfen, leichte Bauchschmerzen) werden überinterpretiert und als Anzeichen einer schweren, lebensbedrohlichen Krankheit fehlgedeutet. - Aufmerksamkeitsfokus (Body-Scanning):
Die gesamte Aufmerksamkeit ist ständig auf den Körper gerichtet, wodurch normale, harmlose Körpersignale überhaupt erst ins Bewusstsein dringen und als problematisch empfunden werden.
Psychodynamische Sicht (Konversion)
Aus psychodynamischer Sicht (z.B. nach Freud) kann Somatisierung als eine Form der Konversion gesehen werden. Hier wird ein innerpsychischer Konflikt oder ein verdrängtes Gefühl in ein körperliches Symptom umgewandelt, um den Konflikt zu entschärfen und die Angst zu vermeiden.
Klinische Relevanz
Die Somatisierung ist ein Merkmal mehrerer psychischer Störungen, die heute unter dem Oberbegriff der Somatischen Symptom- und verwandten Störungen (DSM-5) oder Körperlichen Belastungsstörung (ICD-11) zusammengefasst werden.
- Körperliche Belastungsstörung:
Hier führt die Somatisierung zu chronischen, vielfältigen körperlichen Beschwerden (Schmerzen, Magen-Darm-Probleme etc.), die die Lebensqualität massiv einschränken. - Angst und Depression:
Auch bei diesen Störungen tritt Somatisierung auf, wobei die körperlichen Symptome oft Ausdruck der vorherrschenden Angst (Herzrasen, Atembeschwerden) oder der depressiven Erschöpfung (chronische Müdigkeit) sind.
Die Therapie bei Somatisierung zielt darauf ab, die Emotionswahrnehmung zu verbessern und die Patienten vom Fokus auf den Körper hin zur emotionalen und kognitiven Verarbeitung zu führen.
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