Traumatherapie

Die Traumatherapie ist ein hochspezialisiertes Feld der Psychotherapie, das darauf abzielt, die Folgen traumatischer Erlebnisse zu verarbeiten und die psychische Gesundheit sowie die Lebensqualität der Betroffenen wiederherzustellen.

Traumata können durch einmalige Ereignisse (z. B. Unfälle, Naturkatastrophen, Überfälle) oder durch wiederholte, lang anhaltende Erlebnisse (z. B. Missbrauch, Vernachlässigung, Krieg) entstehen.

Grundprinzipien und Ziele

Das übergeordnete Ziel der Traumatherapie ist es, die traumatischen Erinnerungen aus dem emotionalen Gedächtnis in das erzählbare Gedächtnis zu überführen, damit sie als abgeschlossenes Ereignis der Vergangenheit integriert werden können und nicht mehr die Gegenwart dominieren.

Dafür sind drei zentrale Schritte notwendig:

  1. Sicherheit und Stabilisierung:
    Der Patient muss sich sicher fühlen und lernen, intensive Emotionen und Dissoziationen zu kontrollieren.
  2. Traumabearbeitung (Konfrontation):
    Das traumatische Ereignis wird unter sicheren therapeutischen Bedingungen kognitiv und emotional durchgearbeitet.
  3. Integration:
    Die traumatische Erfahrung wird in die eigene Lebensgeschichte integriert.

Das Phasenmodell der Traumatherapie

Die Behandlung psychischer Traumafolgestörungen, insbesondere der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und der Komplexen PTBS, erfolgt in der Regel streng strukturiert in drei Phasen, um eine Retraumatisierung zu vermeiden:

Phase 1: Stabilisierung und Ressourcenaufbau (Monophasisch)

Diese Phase ist die wichtigste Grundlage und kann oft die längste Zeit in Anspruch nehmen.

  • Ziele: Aufbau von Sicherheit, emotionaler Stabilität und Selbstkontrolle.
  • Methoden:
    • Psychoedukation:
      Aufklärung über Trauma-Symptome, damit Betroffene ihre Reaktionen verstehen (z. B. Flashbacks, Dissoziation).
    • Distanzierungstechniken:
      Erlernen von Übungen, um sich von überwältigenden Emotionen und Flashbacks zu distanzieren (z. B. „Tresor-Technik“, „Sicherer Ort“).
    • Ressourcenaktivierung:
      Stärkung der vorhandenen inneren und äußeren Ressourcen (z. B. soziale Kontakte, Hobbys, innere Stärken).

Phase 2: Traumabearbeitung (Traumafokussiert)

Erst wenn die Stabilisierung abgeschlossen ist und der Patient über ausreichende Kontrollmechanismen verfügt, beginnt die eigentliche Traumakonfrontation.

  • Ziele:
    Verarbeitung der traumatischen Erinnerung, Desensibilisierung und Neubewertung der Erfahrung.
  • Methoden:
    Anwendung spezifischer Verfahren, um die emotionale Ladung der Erinnerung zu neutralisieren (siehe Abschnitt 3).

Phase 3: Integration und Neuorientierung

  • Ziele:
    Die traumatische Erfahrung wird in die eigene Lebensgeschichte eingeordnet. Der Fokus wird auf die Zukunft gerichtet.
  • Methoden:
    Arbeit an den durch das Trauma verzerrten Grundüberzeugungen (z. B. von „Ich bin machtlos“ zu „Ich kann überleben“), Aufbau neuer Lebensperspektiven und Vorbereitung auf den Therapieabschluss.

Wichtige, evidenzbasierte Methoden der Phase 2

Zur eigentlichen Traumabearbeitung werden international anerkannte, evidenzbasierte Verfahren eingesetzt:

1. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)

  • Prinzip:
    Durch das gleichzeitige Abrufen der traumatischen Erinnerung und das Ausführen von rhythmischen, bilateralen Stimulationen (meist geführte Augenbewegungen) wird eine beschleunigte Informationsverarbeitung im Gehirn angeregt.
  • Wirkung:
    Die emotionale Intensität der Erinnerung nimmt ab, und die Kognitionen in Bezug auf das Trauma verändern sich positiv (z. B. von „Es war meine Schuld“ zu „Ich habe mein Bestes getan, um zu überleben“).

2. Traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT)

Hierbei spielen zwei Haupttechniken eine Rolle:

  1. Imaginale Exposition (Prolonged Exposure, PE):
    Der Patient wird gebeten, das traumatische Erlebnis wiederholt und detailliert im geschützten Rahmen der Sitzung zu erzählen (zu imaginieren). Ziel ist die Habituation und die emotionale Verarbeitung.
  2. In-vivo-Exposition:
    Konfrontation mit sicheren, aber vermiedenen Situationen im Alltag, die als Trigger dienen (z. B. Fahren in einem Auto nach einem Unfall).

3. Narrative Expositionstherapie (NET)

  • Zielgruppe:
    Besonders geeignet für Menschen mit mehrfachen Traumata (chronische, organisierte Gewalt, Fluchterlebnisse).
  • Prinzip:
    Das Leben wird chronologisch von der Geburt bis zur Gegenwart durchgegangen, wobei alle positiven und negativen Ereignisse aufgezeichnet werden. Die traumatischen Ereignisse werden detailliert beschrieben („Hot Spots“), um sie als Teil einer zusammenhängenden Lebensgeschichte zu integrieren.

Behandelte Störungen

Traumatherapie ist die primäre Behandlungsmethode für:

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