Wertschätzung
Wertschätzung ist in der Psychologie ein fundamentaler Begriff, der die grundlegende Anerkennung des Wertes und der Würde einer Person als Mensch beschreibt, unabhängig von ihren Leistungen, ihrem Verhalten oder ihren Eigenschaften.
Sie ist ein zentrales psychologisches Grundbedürfnis und ein entscheidender Wirkfaktor in der zwischenmenschlichen Kommunikation und in der Psychotherapie.
Psychologische Bedeutung
1. Als Grundbedürfnis
Wertschätzung ist eng mit dem Bedürfnis nach Anerkennung und Selbstwert verbunden und erfüllt die Funktion der sozialen und emotionalen Bestätigung.
- Maslows Bedürfnispyramide:
Die Wertschätzungsbedürfnisse (Stufe 4) umfassen den Wunsch, von anderen geachtet zu werden (Anerkennung) und sich selbst als fähig zu erleben (Selbstachtung). - Konsistenztheorie (Grawe):
Das Bedürfnis nach Selbstwertschutz und -erhöhung wird durch Wertschätzung befriedigt, da sie dem Individuum signalisiert, dass es in seiner sozialen Umwelt willkommen, relevant und respektabel ist.
2. Als therapeutische Grundhaltung
Der wohl einflussreichste Kontext für den Begriff der Wertschätzung in der Psychologie ist die Klientenzentrierte Therapie von Carl Rogers.
Rogers definierte die bedingungslose positive Wertschätzung (Unconditional Positive Regard, UPR) als eine der drei notwendigen Kernbedingungen für einen erfolgreichen therapeutischen Prozess:
- Bedingungslose Positive Wertschätzung:
Der Therapeut akzeptiert den Klienten als Person vollständig und ohne Bewertung (z.B. „Ich schätze dich, auch wenn ich dein Verhalten nicht gutheiße.“). Die Wertschätzung ist auf die Person gerichtet, nicht auf ihre Handlungen. - Ziel:
Durch diese Erfahrung der bedingungslosen Annahme kann der Klient lernen, eine selbstakzeptierende Haltung zu entwickeln und die inneren Bedingungen der Wertschätzung („Ich bin nur wertvoll, wenn ich perfekt bin“) aufzulösen.
3. Abgrenzung zur Anerkennung
Obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden, kann man feiner unterscheiden:
- Anerkennung:
Oft leistungsbezogen und bezieht sich auf die Würdigung spezifischer Taten, Erfolge oder Qualitäten (z.B. „Du hast diese Arbeit hervorragend gemacht.“). - Wertschätzung:
Basisbezogen, universeller und bezieht sich auf den Wert der Person an sich (z.B. „Ich freue mich, dass du hier bist.“).
Funktion für die mentale Gesundheit
Fehlende oder mangelnde Wertschätzung (Invalidierung) kann zu einem instabilen Selbstwertgefühl, Scham und psychischen Störungen führen. Die Erfahrung konsistenter Wertschätzung in sicheren Beziehungen dient daher als korrigierende emotionale Erfahrung, die die Selbstakzeptanz fördert und die Grundlage für autonome Entwicklung und psychische Stabilität bildet.
« zurück zum Glossar-Index