Komorbidität

Komorbidität (engl. comorbidity) ist ein zentrales Konzept in der klinischen Psychologie, Psychiatrie und Medizin. Es beschreibt das gleichzeitige Auftreten von zwei oder mehr psychischen Störungen oder psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen bei einer Person.

Definition und Arten der Komorbidität

1. Definition

Komorbidität liegt vor, wenn eine diagnostizierte psychische oder körperliche Erkrankung (die Index-Störung) in zeitlicher Nähe oder zeitgleich mit einer oder mehreren zusätzlichen (komorbiden) Erkrankungen auftritt.

2. Arten der Komorbidität in der Psychologie

Klinische Relevanz und Auswirkungen

Das Vorliegen von Komorbidität hat erhebliche klinische Implikationen und macht die Behandlung oft komplexer:

Auswirkung Beschreibung
Erschwerte Diagnostik Symptome können sich überlappen oder gegenseitig maskieren. Zum Beispiel können Schlafstörungen sowohl ein Symptom einer Depression als auch einer Substanzabhängigkeit sein.
Ungünstigerer Verlauf Komorbide Störungen sind oft mit einer schlechteren Prognose und einer höheren Rückfallquote verbunden.
Erhöhte Schwere Die Symptomschwere ist in der Regel höher als bei Patienten mit nur einer Störung.
Längere Behandlung Es sind spezifische therapeutische Ansätze nötig, die beide Störungen adressieren. Dies führt oft zu einer längeren und intensiveren Therapie.

Häufige komorbide Paare

Bestimmte Störungsbilder treten besonders häufig gemeinsam auf, was auf gemeinsame Ursachen oder gegenseitige Verstärkung hindeutet:

A. Psychisch-Psychisch

  1. Angststörungen und Depressionen:
    Sehr häufig; die Lebenszeit-Prävalenz des gemeinsamen Auftretens ist hoch.
  2. Substanzabhängigkeit (z. B. Alkohol) und Depression/Angststörung:
    Der Alkoholmissbrauch dient oft als dysfunktionale Bewältigungsstrategie für Angst oder depressive Stimmung („Selbstmedikation“).
  3. Persönlichkeitsstörungen (z. B. Borderline) und Essstörungen oder PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung): Chronische emotionale Dysregulation und Impulsivität spielen oft eine Rolle.
  4. Zwangsstörungen und Tic-Störungen (z. B. Tourette-Syndrom).

B. Psychisch-Somatisch

  1. Depression und Herzerkrankungen: Depression ist ein unabhängiger Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen und kann deren Prognose verschlechtern.
  2. Angststörungen und Reizdarmsyndrom (RDS) oder chronische Schmerzen: Die psychische Anspannung und die Wahrnehmung körperlicher Symptome stehen in engem Zusammenhang.

Psychologische und Therapeutische Implikationen

Therapeutisch ist es entscheidend, beide Störungen gleichzeitig zu behandeln, anstatt sie nacheinander anzugehen.

  • In der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) werden spezielle multimodale Behandlungspläne entwickelt, die zum Beispiel zuerst die Substanzabhängigkeit behandeln müssen, um die Therapie der zugrundeliegenden Angststörung (Index-Störung) überhaupt erst erfolgreich beginnen zu können.
  • Das Wissen um Komorbidität hilft Therapeuten, die Ursachen und Aufrechterhaltung der Störungen besser zu verstehen (z. B. dient der Substanzmissbrauch als schädliche Coping-Strategie für die Angst).
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